Das Paradies der Damen - 11
ändern ihre Finger und streifte ihr mit sanftem, gleichmäßigem Druck die Handschuhe über; dabei blickte er sie an, als erwarte er in ihren Zügen den Ausdruck eines wollüstigen Behagens zu lesen. Allein sie hielt den Arm auf den Tisch gestützt und überließ ihm ihre Finger mit derselben Gleichgültigkeit, mit der sie ihrer Zofe den Fuß entgegenstreckte, damit sie ihr die Stiefelchen zuknöpfe. Er war für sie kein Mann; sie sah ihn nicht einmal an.
»Ich tue Ihnen doch nicht weh, gnädige Frau?«
Sie schüttelte verneinend den Kopf. Der Geruch der sächsischen Handschuhe, dieses Gemisch von Wildgeruch und Moschus, erregte sie gewöhnlich; sie hatte oft lachend ihre Vorliebe für dieses zweideutige Parfüm eingestanden. Doch an diesem einfachen Ladentisch roch sie die Handschuhe gar nicht, und der Angestellte, der seine Pflicht tat, ließ sie völlig kalt.
»Was befehlen Sie noch, gnädige Frau?«
»Nichts, danke. Bringen Sie alles zur Kasse zehn, für Frau Desforges.«
Wie es im Haus üblich war, gab sie an einer Kasse ihren Namen an und ließ alle Einkäufe dorthin schaffen, ohne sich von einem Verkäufer begleiten zu lassen. Als sie sich entfernt hatte, zwinkerte Mignot mit den Augen und wandte sich seinem Nachbarn zu, den er glauben machen wollte, daß sich soeben Außerordentliches zwischen ihm und dieser Kundin zugetragen habe.
»Das ist doch ein Weib, wie?« sagte er. »Von morgens bis abends möchte man ihr alles mögliche anprobieren!«
Inzwischen setzte Frau Desforges ihre Einkäufe fort, begab sich zu den Weißwaren, um dort Geschirrtücher zu kaufen, dann machte sie die Runde bis zur Wollwarenabteilung am Ende des Ganges. Da sie mit ihrer Köchin sehr zufrieden war, wollte sie ihr ein Kleid schenken. Bei den Wollwaren drängte sich die Menge, zumeist kleine Bürgersfrauen, die die Stoffe betasteten und sich in stumme Berechnungen verloren. Auf den Tischen türmten sich die Ballen, es war ein einziges Durcheinander.
Hinter einem Stoß Popeline stand Liénard und scherzte mit einem Mädchen, einer Arbeiterin aus dem Stadtviertel. Er verabscheute diese Großverkäufe, die ihn bloß todmüde machten, und drückte sich gern um die Arbeit; von seinem Vater bekam er genug Taschengeld, um sich wegen der Provision keine grauen Haare wachsen zu lassen. Er tat gerade so viel, daß er nicht vor die Türe gesetzt wurde.
»Hören Sie doch, Fräulein Fanny«, sagte er; »Sie haben es immer gar so eilig. Sind Sie mit dem Stoff zufrieden, den Sie neulich gekauft haben? Ich werde mir bei Ihnen die Provision abholen.«
Doch das Mädchen schlüpfte lachend davon, und Liénard sah sich Frau Desforges gegenüber. Höflich fragte er:
»Was darf es sein, gnädige Frau?«
Sie verlangte einen nicht zu teuren und doch guten, dauerhaften Stoff für ein Kleid. Um sich nicht mit dem Herabholen der Ballen abmühen zu müssen, redete Liénard ihr zu, eines der auf dem Tisch ausgebreiteten Muster zu wählen. Es lagen da verschiedene Arten von Kaschmir, Serge und Vigogne. Er versicherte ihr, es gebe nichts Besseres, Dauerhafteres. Allein keiner dieser Stoffe schien Frau Desforges zu befriedigen. Sie hatte in einem der Fächer einen bläulichen Escot bemerkt, den sie sehen wollte. Er mußte sich wohl oder übel bequemen, ihn herunterzuholen. Sie fand jedoch den Stoff zu grob. Nun ließ sie sich rein zum Vergnügen alle möglichen Gattungen von Wollstoffen vorlegen, obgleich es ihr nicht darauf angekommen wäre, den ersten besten zu wählen. Der junge Mann mußte bis zu den obersten Fächern hinaufsteigen und Ballen herbeischleppen, daß ihm die Arme weh taten. Der Tisch war im Nu mit Stoffen in allen Geweben und allen Farben überladen. Ohne daß sie nur im geringsten beabsichtigte, etwas davon zu kaufen, ließ Frau Desforges sich auch noch Grenadine und Chambéry-Gaze zeigen. Als sie dann genug hatte, meinte sie:
»Ach, mein Gott, der erste ist doch immer der beste, es ist ja nur für meine Köchin. Ja, die Serge mit den kleinen Tupfen, die zu zwei Franken der Meter.«
Und als Liénard, blaß vor Wut, den Stoff abgemessen hatte, sagte sie:
»Tragen Sie das zur Kasse zehn, für Frau Desforges.«
Als sie sich entfernen wollte, bemerkte sie Frau Marty in Begleitung ihrer Tochter Valentine, eines großen, mageren Mädchens von vierzehn Jahren, das bereits sehr begehrliche Blicke auf die Stoffe warf.
»Wie, Sie sind es, liebe gnädige Frau?«
»Ja, meine Liebe. Diese Menschenmenge, nicht wahr?«
»Reden wir nicht
Weitere Kostenlose Bücher