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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sie neben sich Pauline, die Verkäuferin aus der Wäscheabteilung, die sie schon am Morgen in Schutz genommen hatte. Sie hatte die ganze Szene mit angesehen und flüsterte ihr nun zu:
    »Seien Sie nicht so empfindlich. Sie müssen es überwinden, sonst wird man Ihnen noch ganz andere Streiche spielen … Ich bin aus Chartres, Pauline Cugnot; meine Eltern haben dort eine Mühle. Man hätte mich hier in den ersten Tagen gefressen, wenn ich mich nicht zur Wehr gesetzt hätte … Nur Mut! Geben Sie mir die Hand, wir werden uns gelegentlich ein bißchen ausplaudern.«
    Denise drückte verstohlen die Hand, die ihr entgegengestreckt wurde, und beeilte sich dann, sich einen Packen aufzuladen, denn sie fürchtete, man könnte sie wieder schelten, wenn man merkte, daß sie eine Freundin besaß.
    Mittlerweile hatte Frau Aurélie den Mantel Frau Marty selbst umgelegt, und sofort riefen alle: »Sehr gut! Ausgezeichnet!« So sah das Kleidungsstück doch gleich anders aus! Frau Desforges erklärte, etwas Besseres könnten sie gar nicht finden.
    Mouret empfahl sich daraufhin, während Vallagnosc, der in der Spitzenabteilung Frau von Boves und ihre Tochter bemerkt hatte, sich dorthin begab. Marguerite stand bereits bei einer der Kassen im Zwischenstock und ließ Frau Martys Einkäufe registrieren. Frau Desforges fand ihre Sachen alle beisammen an Kasse zehn im Erdgeschoß. Die Damen trafen sich wie vereinbart noch einmal im orientalischen Saal und brachen dann, immer noch voller Bewunderung, endgültig auf.
    Das Publikum verlor sich allmählich; es war bereits zu den beiden ersten Abendmahlzeiten geläutet worden, bald mußte das dritte Zeichen kommen. Die Abteilungen leerten sich, man sah nur noch wenige Käuferinnen, die sich in ihrem Eifer nicht losreißen konnten. Von draußen drang des Geräusch der letzten abfahrenden Droschken herein. Im Innern sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Todmüde von der anstrengenden Arbeit standen die Angestellten inmitten des Wirrwarrs ihrer Fächer und Tische. Nur mit Mühe konnte man durch die Gänge des Erdgeschosses kommen, überall war der Weg durch Stühle verrammelt. Im Keller aber war die Warenabgangsstelle noch in voller Tätigkeit; ununterbrochen wurden Pakete hinaufgeschafft und abgefahren.
    Die Seidenabteilung war vollständig geräumt, der ganze ungeheure Vorrat an »Pariser Glück« war fort, als wären Heuschreckenschwärme über die Abteilung hinweggegangen. Inmitten dieser Leere standen Hutin und Favier und blätterten in ihren Kassenblocks, berechneten ihre Prozente, noch völlig erhitzt vom Kampf. Favier hatte es auf fünfzehn Franken gebracht, Hutin nur auf dreizehn; er war somit geschlagen worden und wütend über sein Mißgeschick. Das ganze Geschäft um sie her war von der gleichen Profitsucht erfaßt.
    »Nun, Bourdoncle, zweifeln Sie noch immer?« fragte Mouret. Er stand wieder auf seinem Lieblingsposten oben an der Treppe zum Zwischenstock. Beim Anblick dieses Durcheinanders von Stoffen erschien ein triumphierendes Lächeln auf seinen Lippen. Die Schlacht war gewonnen, der Kleinhandel des Stadtviertels vernichtend geschlagen, Baron Hartmann mit seinen Millionen und seinen Grundstücken überwunden. Während er die Kassierer betrachtete, die, über ihre Bücher gebeugt, die langen Zahlenreihen addierten, während er den Klang der Goldstücke hörte, die aus ihren Händen in die kupfernen Schalen fielen, sah er das »Paradies der Damen« bereits ins Unermeßliche wachsen, sich bis zur Rue du Dix-Décembre erstrecken.
    »Nun, Bourdoncle«, sagte er noch einmal, »jetzt sehen Sie es selbst: das Haus ist zu klein; wir hätten zweimal soviel verkaufen können.«
    Bourdoncle ergab sich, im Grunde froh, daß er unrecht behalten hatte. In diesem Augenblick bot sich ihnen ein Schauspiel, das ihre Mienen ernst werden ließ. Lhomme, der erste Kassierer, hatte, wie jeden Abend, die Einnahmen der verschiedenen Abteilungen zusammengetragen. Er pflegte die Banknoten in eine Geldtasche, die Gold- und Silberstücke in Säcke zu tun und das Ganze zur Hauptkasse zu bringen. Heute herrschten Gold und Silber vor, und er stieg, mit drei großen Säcken beladen, mühevoll die Treppe empor. Man hörte ihn schon von weitem keuchen; so wankte er siegreich und von der kostbaren Last schier zu Boden gedrückt durch die Reihen der achtungsvoll zur Seite tretenden Angestellten daher.
    »Wieviel ist es heute, Lhomme?« fragte Mouret gespannt.
    Der Kassierer erwiderte:
    »80 742 Franken und 10

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