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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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leer wie der einer Schlafwandlerin.
    »Ach, endlich«, sagte sie dann mit einem Seufzer der Erleichterung.
    Jetzt hatten die Damen sich losgemacht. Sie befanden sich in der Halle an der Rue Neuve-Saint-Augustin. Wie groß war ihre Überraschung, als sie sie fast leer fanden! Ein unnennbares Behagen bemächtigte sich ihrer. Es war ihnen, als träten sie aus dem Winter der Straße in den Frühling ein. Während draußen noch der eisige Märzwind wehte, verspürte man in diesen Gängen schon den lauen Hauch der wärmeren Jahreszeit mit ihren leichten Stoffen, den blütenhaften Glanz der zarten Farben, die ländliche Heiterkeit der Sommermoden und der Sonnenschirme.
    »Schauen Sie nur!« rief Frau von Boves entzückt.
    Sie standen vor einer Ausstellung von Sonnenschirmen. Weit aufgespannt, gewölbt wie Schilde, nahmen sie bis hinauf zum Glasdach die ganze Halle ein – wohin man blickte, ein einziges Meer von Farben.
    Frau Marty rang nach Worten, um ihrem Entzücken Ausdruck zu verleihen, aber sie wußte weiter nichts zu sagen als:
    »Das ist ja feenhaft!«
    Dann suchte sie sich zurechtzufinden und sagte:
    »Schnürbänder gibt es in der Kurzwarenabteilung … Ich kaufe mein Schnürband und gehe.«
    »Ich komme mit Ihnen«, sagte Frau von Boves. »Nicht wahr, Blanche, wir wollen einmal durchgehen, nichts weiter?«
    Allein die Damen waren verloren, sobald sie die Tür hinter sich hatten. Sie wandten sich nach links, weil aber die Kurzwaren anderswohin verlegt worden waren, gelangten sie erst mitten unter die Rüschen und dann zu den Zierkragen und -manschetten. Es war sehr warm in den Gängen, eine wahre Treibhaushitze, durchzogen von dem faden Geruch all der Stoffe. Sie wollten wieder zur Tür zurück, blieben jedoch in der hin und her flutenden Menge stecken. Glücklicherweise kam ihnen der Inspektor Jouve zu Hilfe. Ernst und aufmerksam stand er im Vorraum und faßte jede Frau, die vorüberging, scharf ins Auge, um etwaigen Diebinnen auf die Spur zu kommen.
    »Zu den Kurzwaren, meine Damen?« fragte er höflich. »Bitte nach links, dort hinter den Wirkwaren.«
    Frau von Boves dankte ihm. Aber als Frau Marty sich umwandte, fand sie ihre Tochter Valentine nicht mehr an ihrer Seite. Sie erschrak, bis sie sie in einiger Entfernung an einem Tisch stehen sah, ganz versunken in den Anblick von Damenkrawatten zu neunzehn Sous, die auf einem langen Tisch aufgehäuft lagen und von den Verkäufern laut angepriesen wurden. Es war dies ein Gedanke von Mouret; er verschmähte auch diese Methode nicht und machte sich lustig über die Leute, die behaupteten, eine Ware müsse für sich selber sprechen. Eine ganze Schar von Pariser Straßenbummlern war damit betraut, solche kleineren Artikel mit lauter Stimme an den Mann zu bringen.
    »Mama«, rief Valentine, »sieh doch diese Krawatten! Jede hat in der Ecke einen gestickten Vogel!«
    Der Verkäufer pries den Artikel und versicherte, die Krawatten seien aus reiner Seide, der Fabrikant sei darüber bankrott gegangen, und etwas Schöneres und Billigeres bekämen sie nie wieder.
    »Neunzehn Sous, ist das möglich?« sagte Frau Marty, genauso entzückt wie ihre Tochter. »Ach was, ich nehme zwei davon, das ruiniert uns nicht.«
    Frau von Boves verhielt sich ablehnend. Sie verachtete diese Art von Käufen.
    »Und nun rasch mein Schnürband«, sagte gleich darauf Frau Marty, »ich will nichts mehr sehen.«
    Doch als sie an den Handschuhen vorbeikamen, wurde sie wieder schwach. Unter dem vollen Licht des Glasdaches prangte hier eine Ausstellung in ganz entzückend lebhaften Farben. Die gleichmäßig aneinandergereihten Tische waren wie Rasenplätze, sie verwandelten die Halle in ein Gartenparterre, in dem Blumen in allen Farben und Abstufungen dem Beschauer entgegenlachten. Was aber die Besucher hier am meisten anzog, war ein Schweizerhäuschen, ganz aus Handschuhen aufgebaut, ein Meisterstück Mignots, das zwei Tage Arbeit gekostet hatte. Schwarze Handschuhe bildeten das Erdgeschoß, dann kamen resedafarbene, strohgelbe, ochsenblutfarbene, welche die Ziegel darstellten, Fenster einrahmten, Balkons andeuteten.
    »Was wünschen gnädige Frau?« fragte Mignot, als er Frau Marty vor seinem Tisch festgebannt erblickte. »Wir haben schwedische Handschuhe zu einem Franken fünfundsiebzig, erste Qualität.«
    Es war seine Leidenschaft, die Vorübergehenden anzusprechen, sie durch seine Liebenswürdigkeit zu bezwingen. Da Frau Marty ablehnend den Kopf schüttelte, fuhr er fort:
    »Tiroler Handschuhe zu

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