Das Paradies des August Engelhardt
zurück, und als sei dies ein Zeichen gewesen, kamen alle Kinder, ein paar Dutzend Hände befühlten ihn, tatschten über den Rücken, den Bauch, strichen durch den Bart, sogar über sein Glied, und er stand still und ließ es geschehen. Ein paar Momente später war es auch schon vorbei, und die Aufmerksamkeit der Kinder erlosch.
Kabua zeigte auf einen Sack Kopra und anschließend auf vier Messer, zwei Handspiegel und eine kleine Baumaxt, die danebenlagen, der Preis vermutlich, den sie bekommen hatten, der übliche Betrug; die Pflanzer hatten in Herbertshöhe angegeben, wie billig das Kopra zu haben war, weil die Neger so dumm sind, sie selber erhielten zweihundert Mark von der Compagnie und kauften sie für einen Gegenwert von fünf oder sechs Mark, nur ein bisschen Tand, und der Kanake ist glücklich, am besten Spiegel, wenn er das erste Mal einen Spiegel sieht, glaubt er nicht, dass er das ist, so blöde ist er, selbst wenn er seinen Schmuck erkennt, seinen Ring in der Nase, sich selber erkennt er nicht.
Engelhardt schüttelte den Kopf als Zeichen der Missbilligung, und Kabua wies auf einen Baumstamm, eine Einladung, sich zu setzen. Die Betelnuss lehnte er ab, aber akzeptierte einen Schluck Kokoswasser, den ihm einer der Alten reichte. Die Wilden arbeiteten langsam, immer wieder stand einer auf, verschwand, kam zurück mit einer Pfeife im Mund oder einer Papaya in der Hand, dann stockte die Arbeit, weil einer eine Geschichte erzählte oder ein Lied sang, das er so oft wiederholte, dass nicht nur die anderen es nachsingen konnten, sondern auch Engelhard, was alle zum Lachen brachte. Wem es zu heiß wurde, der ging ans Meer, erfrischte sich kurz, und wenn er zu lange blieb, folgten ihm andere. Frauen kamen und brachten gerösteten Taro. Alle aßen und beobachteten Engelhardt dabei, als zweifelten sie daran, dass er wirklich kauen und schlucken würde, und schienen beruhigt, dass er das tatsächlich tat.
Es war gegen Abend, als er das Tuckern eines Schiffsdiesels hörte, an Bord zwei Chinesen, die wütend waren, als sie ihn sahen, aber nicht sehr, als hätten sie schon damit gerechnet. Sie hatten weder Zeit noch Lust, lange zu feilschen, zweihundert pro Sack ist zu viel, schließlich holen sie es ab und bekommen es nicht geliefert, aber einhundertsiebzig, einverstanden, dabei bleibt es, das ist die Summe, die sie auch in Zukunft bezahlen, aber er muss darauf achten, dass seine Neger besser arbeiten, die Insel sei in der Lage, sechzig Tonnen Kopra im Jahr abzuwerfen, und bislang kommen die nur auf die Hälfte, das ist zu wenig, und wenn er wieder nach Herbertshöhe kommt, machen sie ihm einen guten Preis im Bordell. Sie drückten ihm das Geld in die Hand. Er behielt zwanzig davon, schließlich war das seine Insel. Den Rest gab er Kabua. Die anderen Wilden schienen nicht einverstanden zu sein und schimpften los, sie wollten einen Gegenwert und nicht nur Papier, aber Kabua sprach auf sie ein, mit beschwichtigenden Gesten, die erkannte sogar Engelhardt, und das beruhigte sie, zumindest glaubte er das, denn bis auf einen wurden sie still. Er ging alleine zurück und genoss die Ruhe des nährenden Kokoshaines, der alles gleichzeitig war. Er vereinigte die Erhabenheit der gotischen Dome mit der Schönheit griechischer Tempel, die Natürlichkeit des nordischen Waldes mit der Fruchtbarkeit der Getreidefelder in Deutschland, es war ein Palmenfeld, eine Palmenkirche, eine Palmenstadt, durch die er ging, erfüllt vom tropischen Choral seiner Vögel.
Auf dem Weg durch den Wald kamen ihm ein Dutzend nackter Frauen entgegen, manche jung und schön, die meisten aber alt und verdorrt, es gab nichts dazwischen, wie manche der Orchideen im Wald waren sie, deren Blüte sich morgens entfaltete und am Abend schon braun und verwelkt am Stängel hing.
Als er seine Hütte erreichte, sah er, dass sie Wände hatte, aus dichten Matten geflochten, dass das Dach doppelt gedeckt war mit Palmwedeln, die Tür hatte eine Schwelle, Lianen stabilisierten die Konstruktion, und er dankte den Frauen des Dorfes im Stillen und fühlte sich fast so leicht, wie Wilhelm Pastor es immer gewesen war, und entschied sich deswegen nicht für Hölderlin, als die Sonne sank, den las er sonst gerne und voller alter Schwermut, sondern für Heine, Das Fräulein stand am Meere / Und seufzte lang und bang, / Es rührte sie so sehre / Der Sonnenuntergang. / Mein Fräulein! sein Sie munter, / Das ist ein altes Stück; / hier vorne geht sie unter / Und kehrt von hinten
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