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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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Feuchtigkeit und schoben sich aus den Regalen. Er nagelte neue Bretter aufeinander und stapelte sie dort. Die Freunde schrieben Neuigkeiten aus Deutschland mit zweimonatiger Verspätung auf Papier, das schon vergilbt war und sich wellte, als es ihn erreichte. Alfred Krupp vergiftet sich in seiner Villa, weil der Vorwärts über seine Affären mit italienischen Knaben berichtet, ein Forscher in der Arktis entdeckt Neuland und nennt es nach dem Kaiser, eigentlich eine Beleidigung, ein Eisland Wilhelm II. zu nennen und nicht eine Sonneninsel, aber das hat der Kaiser nicht bemerkt, der ist zu beschäftigt damit, seinen Onkel, den König von England, beim Segeln zu besiegen, ein Kriegsschiff nach dem anderen vom Stapel laufen zu lassen, man weiß nicht, wo das hinführen wird, oder die Grabrede auf Krupp zu halten, der ein kerndeutscher Mann war, so kernig, dass der Kaiser Krupps Frau in die Irrenanstalt einweisen ließ, als die sich bei ihm über ihren Gatten beschwert hatte. Zwei Fahrradhändler bauen angeblich eine Flugmaschine mit Motor, eine liegende Nackte aus Marmor ist die Hauptattraktion auf der Berliner Kunstausstellung, verfolgt wird man zwar noch immer, wenn man nackt geht, aber immerhin, Nackte aus Stein werden akzeptiert, ein erster Schritt in die richtige Richtung, bald wird man auch die aus Fleisch und Blut nicht mehr vor Gericht zerren. Apropos Nackte: Diefenbach lebt jetzt endgültig auf Capri, auch er ist der Sonne gefolgt, aber weniger konsequent als du. Fidus gestaltet Plakate eines vegetarischen Speisehauses, und bei dir in der Nähe ist ein französischer Maler gestorben, Gauguin, den kennt keiner, aber er hat zwölf Jahre dort gelebt und gemalt, mitten unter Eingeborenen, die Bilder sollen sehr bunt und sehr roh sein, schade, dass du ihn nicht kennengelernt hast. Ob du es auch so lange aushalten wirst? Engelhardt schrieb, dass es hier nichts auszuhalten gebe, im Gegenteil, sondern darum gehe, ganz zu versonnen, das Leben dem Licht zu weihen und selber immer leichter zu werden. Als Gouverneur Hahl ihn besuchte, war er gerade dabei, einen Brief an Anna zu schreiben, mal wieder, aber er fand nicht die Worte, dabei hatte er so viel Zeit, tagelang konnte er die richtigen Worte suchen, aber sie kamen nicht zu ihm oder wuchsen nicht in ihm. Einfach hätten sie sein sollen, kurz und deutlich, Hauptsatz an Hauptsatz, so hätte er sie sich gewünscht, scharf wie ein Bambusmesser und klar wie das Meer gegen Abend, doch sie blieben schwammig und blass, obwohl er so viel las und voll war wie ein Schwamm. Selten kam einer, mit dem er sprach, Pater Joseph natürlich, der Schuberthörer Bach und Kabua, doch an dem konnte er die Bücherworte nicht erproben.
    Hahl stieg an der Mole aus, der Kapitän des Bootes vertäute es, stopfte sich eine Pfeife und sah dem Gouverneur hinterher, der durch den weißen Sand stapfte, kurz fluchte, sich schließlich bückte, die Schuhe auszog und die weißen Socken und barfuß ging, sehr korrekt gekleidet, wie immer im Anzug, um den Hals eine schwarze Krawatte, nur das Einstecktüchlein in der Weste ein wenig zu keck, ein freches Gelb, das konnte man so nur in den Kolonien tragen, in Berlin hätte er das nie gewagt.
    Engelhardt hatte sich schon als das Schiff ankam das Besuchertuch um die Hüften gebunden. Er erkannte Hahl kaum. Der Gouverneur sah fiebrig aus, die Haut fahl, Augenringe wie mit dem Messer eingekerbt, der Bart hing fettig über den Lippen. Er bot ihm den Stuhl an, den er erst am Vortag geschreinert hatte. Das Holz der Palmen eignete sich nicht wirklich dazu, aber inzwischen hatte er Erfahrung damit und benutzte Bambus als Zapfen. »Immer noch hier«, sagte Hahl und trank das Kokoswasser, während Engelhardt Passionsfrüchte und Mangos aufschnitt, »und Sie essen wirklich kein Fleisch. Hatte ich schon gerüchteweise gehört von den Eingeborenen. Die machen aus allem Lieder. Sehr seltsame Lieder allerdings, einstimmig, kaum auszuhalten, wenn sie anfangen zu singen, und sie singen lange, so lange, bis die Zuhörer sie auswendig können und die Lieder weitersingen und auf andere Inseln bringen, dort vortragen, in die regionalen Sprachen übersetzen und so fort, wie eine Zeitung, deswegen wollen sie auch nicht lesen lernen, sie haben doch Lieder, sagen sie, sie brauchen keine Bücher. Einmal hatten wir einen Gefangenen, der vierzehn Stunden am Stück gesungen hat, immer ein anderes Lied, soweit ich das beurteilen kann, nicht übel für einen Wilden, aber die Hölle für den

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