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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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sich um, ging ins Meer und schwamm davon, ohne sich weiter ums Feuer zu kümmern. Engelhardt wandte sich ab und ging. Die anderen würden sich auch ohne seine Hilfe befreien.
     
    Du verlangst viel von ihnen, meinte Walter später, und einmal werden sie sich deswegen gegen dich wenden, aber Anna kam dazu und widersprach, zuerst würden sie Angst bekommen, weil ihnen nichts mehr blieb als das bloße Leben, aber langsam würden sie erkennen, dass nur darin die Freiheit lag, und so war es.
    Als das Feuer erloschen war und alle ihre Taschen, Koffer, Beutel und Truhen geopfert hatten, liefen sie zuerst über die Insel wie betäubt, nackt, aber eingehüllt in eine schwere Trauer. Keiner redete mit dem anderen, der Verlust wog schwerer, als aller Besitz je gewogen hatte, ein Phantomschmerz, als hätten sie sich nicht von ein paar Kleidern getrennt, sondern ihrem rechten Arm, als sei nicht ein Schmuckkästchen verbrannt, sondern ihr Auge. Gleichzeitig waren sie stolz auf sich, überrascht von ihrer Großzügigkeit den Flammen gegenüber, fast schon euphorisch, und genossen dieses Gefühl, am meisten diejenigen, die besonders viel von dem mitgeschleppt hatten, was jetzt als Aschewölkchen über der Insel stand. Erste Gespräche, hast du gesehen, wie mein Morgenmantel verbrannte? Die Lederschuhe habe ich erst einmal getragen, aber wer braucht hier schon Schuhe? Die Brosche war von meiner Tante, aber als Klümpchen im Sand ist sie fast schöner als vorher. Ich weiß nicht, warum ich den Zinnpokal eingesteckt habe, aber ich bin froh, dass er nicht mehr existiert. Keine Seife mehr und kein Haarwaschmittel, ich frage mich, wie ich in drei Monaten aussehe. Die Ersten badeten wieder im Meer, schwammen leichter als jemals zuvor, schwebten auf dem Wasser, waren wütend und dankbar.
    Wer am wenigsten braucht, kommt den Göttern am nächsten, sagte Engelhardt ihnen beim Abendessen, und so richteten sie ihr Leben auf der Insel ein. Noch Monate bis zur Regenzeit, also brauchte es keine Hütten, kein Bett, kein Haus für die ganze Gemeinschaft, nur eine Senkgrube buddelten sie im Wald. Reine Menschen wurden sie, und das Tier, der alte Adam, starb, das spürte Engelhardt, und mit ihm die Scham und das Bedürfnis, etwas zu haben. Lachende, unsterbliche Sonnenkinder wandelten über die Insel, ihr Denken und Tun veredelt und geadelt von den erhabensten Repräsentanten der Natur, den Palmen.
    Alle Fragen finden hier eine Antwort, schrieb der Buchdrucker Salomon in einem Brief an die Heimat: die soziale Frage, die Friedensfrage, die Frauenfrage, die Bodenfrage, die Kleiderfrage, die Wohnungsfrage. Damit der Sozialismus gesund und weltumfassend wird, muss der Äquator die Heimat der Menschen werden. Dann wird der Staatsbürger zum Weltbürger, der Landsmann zum Sonnenkind. Friebel überlegte derweil, wie es weitergehen könnte, Deutschland reichte schließlich weiter als nur von der Maas bis an die Memel und weiter als vom Etsch bis an den Belt. Groß-Deutschland verteilte sich auf vier Erdteile. Es gab Deutsch-Westafrika, Togo und Kamerun. Deutsch-Ostafrika. Es gab einen herrlichen Besitz in der Südsee. Von Kabakon aus müssten sie daher zuerst den Bismarck-Archipel besiedeln, dann Neuguinea und die Inseln des Stillen Ozeans, schließlich das tropische Zentral- und Südamerika, das tropische Asien und das äquatoriale Afrika. Ein Patriot denkt zu eng, Heliotropen brauchte es, die Patrioten der Sonne. Bradtke rechnete seine Fotos in Reichsmark um, knapp zweitausend müssten das inzwischen schon sein, und entwarf im Geist einen Brief an den Kaiser: Die rationale Nationalökonomie muss sich fragen, wo sich das Individuum geistig und körperlich in der idealsten Weise zu entfalten vermag? Die Antwort ist eindeutig: In den Kokoshainen. Diese geben mit dem Minimum an Land und dem geringsten Arbeits- und Kostenaufwand die meiste und beste Nahrung, denn wo ein Viehzüchter lebt, können sechs Ackerbauern leben oder 32 Kokospflanzer. Kokospflanzungen sind sozialökonomisch und kosmopolitisch sinnvoll und gleichzeitig nationalökonomisch und patriotisch. So oder so ähnlich würde er argumentieren und anschließend um einen Kredit bitten, um die deutschen Besitztümer in der Südsee zu verdoppeln, unter seiner Regie, natürlich. Karin machte indische Gymnastik am Strand und sammelte Heilpflanzen im Wald. Maja verbrachte viel Zeit bei den Eingeborenen, um ihre Sprache und Tänze zu lernen, obwohl das nicht alle guthießen, schließlich hatten die den Hund

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