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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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Der schimpfte leise in seinen Bart.
    Drei.
    Aufregung auf dem Strand, lautes Geschrei, die rotgesichtige Bäuerin kam, mit ihrem Hund auf dem Arm, jedenfalls sah es danach aus. Sie schrie, dass alle zusammenliefen, sogar aus dem Meer kamen sie, aus dem Palmenwald, aus der Bibliothek, hier gibt es Neger auf der Insel, brüllte sie, Neger, ein ganzer Stamm auf der anderen Seite der Insel, alles voller Neger, und die haben meinen Richard gefressen, und ließ fallen, was sie im Arm hielt, ein blutiges Fell. Einfach gefressen.
     
    Erst als die Sonne schon untergegangen war, hatten sich alle wieder beruhigt, nur Martha schluchzte noch manchmal, sie hatte sich sogar gegen die Taufe gewehrt, die würde sie nachholen müssen, damit sie wirklich hier heimisch wurde. Emil Friebel, der Mann mit dem Hut, hielt sie im Arm und tröstete sie, die Wilden würden von der Insel verschwinden, keine Sorge, Engelhardt habe sie bislang geduldet, weil genügend Platz war für alle, aber jetzt müssten sie gehen, nicht weinen, Martha, sie werden gehen, auch wenn Maja widersprach. Die Einheimischen kennen den Boden, sagte sie, sie kennen die Pflanzen, das Wetter, sie können uns helfen, hier zu leben, wir sind Anfänger, ohne sie und ihre Erfahrung sind wir verloren. Walter saß in der Zwischenzeit mit dem Stotterer zusammen und machte Pläne. Hütten für alle würde man in den nächsten Wochen bauen, wie im Jungborn, offene Fenster mit leichten Vorhängen davor. Das Fundament graben für ein Gemeinschaftshaus, hier würden Versammlungen stattfinden. Bäume müssten gefällt werden und Büsche gerodet. Sie würden Beete anlegen, Stachelbeeren pflanzen und Radieschen, den Strand von Steinen und Muscheln säubern, Latrinen buddeln, Uhren an Palmen nageln, damit man nicht verloren ging in der Zeitlosigkeit, Tische und Bänke zimmern, denn auf dem Boden saßen nur Wilde. Eine Glocke anschaffen, die zu den gemeinsamen Mahlzeiten rufen würde. Die Arbeit aufteilen: Manche würden Früchte sammeln, andere auf Palmen klettern und Nüsse ernten, Brot backen, den Tisch decken, wieder abräumen. Bestellungen müsste man aufgeben: Zimmermannsnägel, Teller, Saatkartoffeln, Weizengrütze, Hängematten, Sauerkraut und Briefumschläge.
    Sie hatten keine Ahnung, was sie erwartete, dachte Engelhardt, aber das würde er ihnen heute nicht sagen.

Am Morgen war er als Erster wach. Die Sonne stand tief überm Meer. Einige Herzschläge lang hielt die ganze Welt ihren Atem an. Dann erst rührte sie sich, schickte eine Welle an den Strand, warf einen Vogel in die Luft, schob eine Schildkröte an Land und schleuderte weit draußen einen Delfin über die Wogen. Im Sand lagen die Jünger des Kokosordens. Er ging zwischen ihnen hindurch und spürte ihre Hoffnungen, schmeckte ihre Ängste, sah die Zufälle, die sie hierher geführt hatten, die verworrenen Fäden, an denen sie hingen. Er hörte ihre geheimen Wünsche. Fühlte ihr Leid, heiß und brennend bei manchen, bei anderen dumpf und ewig, als sei es jenseits aller Zeit. Mühselig und beladen waren die meisten und warteten darauf, von ihm ans Licht geführt zu werden. Er summte leise sein Kabakon-Lied, Nicht die Weisheit bringt uns Segen / Weise Tat nur bringt uns Glück I Darum wollen wir uns regen / Und zum Sonnengott zurück/ Auferstanden ist die Menschheit / Sonnenkinder sind sie alle / Gott, der Herr, hat sie erlöset / Von dem tiefen, tiefen Falle. Es war lange her, dass er das Lied gedichtet hatte, es hatte ganz am Anfang seines Weges auf der Insel gestanden. Jetzt trug er Verantwortung dafür, dass sie alle das Glück fanden, sein Glück, das Glück der Nuss und der Sonne. Manche lagen verkrümmt wie Kinder, die schlecht träumen, manche frei und leicht, als hätte sie einer ausgegossen. Walter hatte im Schlaf den Arm um Anna gelegt. Ihr Atem ging schwer. Engelhardt glitt ins Meer und ließ sich vom Wasser tragen, schwamm auf dem Rücken, sah die letzten Spuren der Sterne, den Flug der Möwen, den Tod einer Wolke. Frei sollten seine Jünger sein, ohne Last leben, deswegen hatte er sie getauft, aber das war nicht genug. Noch hielt die Welt der Dinge sie gefangen. Sie selber hatten ihre Ketten mit auf die Insel gebracht. Es war an ihm, sie zu befreien.
    Als er aus dem Meer stieg, rührte sich noch immer keiner der Schlafenden. In seiner Hütte suchte er lange nach Zündhölzern. Er hatte sie nie gebraucht, schon ein Feuer war künstlich und schwach im Vergleich zum Licht der Sonne, außerdem war Feuer der

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