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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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und die auch deswegen immer dicker geworden war und aus ihren Rollen hinauswuchs in ein Leben hinein, in dem sich kurze Engagements in Revuetheatern abwechselten mit dilettantischen Selbstmordversuchen, ein Kreislauf, aus dem sie erst der Jungborn gerettet hatte, wo sie vierzig Pfund und ihre Depressionen verlor.
    Er taufte Hermine Korten, die seit Jahrzehnten schon Gott suchte und nirgends fand, aber auf ihrem Weg zu ihm den Lotossitz perfektioniert hatte und den einarmigen Handstand, und den Atheisten Franz-Karl Lamprecht, der sich bemühte, seinen Glauben endlich ganz loszuwerden und den ganzen Tag von der Abwesenheit Gottes redete. Engelhardt nahm ihm die Brille von der Nase und warf sie ins Meer. »Ab jetzt wird zwischen dir und der Welt keine künstliche Glaswand mehr sein. Du wirst alles so sehen, wie es dir bestimmt ist zu sehen.« Lamprecht schwankte, als er zurück zu seinem Platz ging.
    Der Junge mit dem Ausschlag ließ sich taufen und erhoffte heimlich Heilung davon und von seinem Stottern. Die übrigen Frauen aus dem Jungborn gingen auf die Knie: Lena Köpper mit den dicken Hüften und Anja Rieder, die sich am ganzen Körper enthaart hatte und aussah, wie ein Kind. Neben ihnen David Teitelbaum. Das bedeutet Dattelpalme, hatte er Engelhardt beim Essen erklärt, deswegen bin ich hier, mein Name führt mich in den Palmenhain und nicht nach Palästina, obwohl ich Herzl gelesen habe, aber ich wollte kein Jude mehr sein, sondern Mensch, nichts anderes, ich danke dir, August Engelhardt.
    Getauft wurde der Wotanist Theo Kunkel, der seine Briefe in Runenschrift schrieb und mehrmals festgenommen worden war, weil er Gottesdienste gestört hatte, und versucht hatte, einen Zug entgleisen zu lassen, der die Ruhe eines germanischen Kraftplatzes störte.
    Engelhardt träufelte Kokoswasser auf Hubert Katz, der Nacktwandern, tägliche Darmspülungen und minutenlangen Atemstillstand propagierte, und alle anderen, an deren Namen er sich schon nicht mehr erinnerte. Schließlich stellte sich sogar Walter vor Engelhardt, überragte ihn, senkte kurz den Kopf. »Jetzt mach schon, tiefer geht es nicht.« Engelhardt kippte ihm den Inhalt einer vollen Nuss übers Haupt.
    »Viel hilft viel, Walter.«
     
    Dann badeten sie lange. Immer wieder kamen ein paar aus dem Wasser, aßen etwas, schwammen weiter, ließen sich von den Wellen im seichten Wasser wiegen, die Gesichter fröhlich, die Körper befreit von einer Last. Hinterher sollten sich alle auf dem Strand aufstellen, Bradtke wollte ein Gruppenbild machen für Die Schönheit, er kannte den Herausgeber, ein Exklusiwertrag für Nacktbilder aus Kabakon, gerne auch welche von den Eingeborenen, zwanzig Mark pro abgedrucktes Bild, und wenn genügend zusammenkamen, eine Ausstellung bei seiner Rückkehr. Er postierte das Stativ, schraubte die Kamera fest, schob die Glasplatte ein, die Frauen nach vorne in die erste Reihe und Engelhardt in die Mitte, und jetzt nicht mehr bewegen. Lächeln gefror auf dreißig Gesichtern, schmolz beim Gut so, das war’s schon. Anschließend ein paar Bilder in Kleidern für die Vegetarische Warte, die drucken keine Nackten. Fotos von Ballspielen am Strand. Zwei Männer, die Nüsse öffnen. Pastor mit Gitarre und Chor. Anna bei der Bananenernte. Maja beim Ausdruckstanz.
    Und jetzt eines von Engelhardt.
    Der schüttelte den Kopf, aber Walter kam.
    »Mensch, August, stell dich nicht so an, natürlich machen wir ein Foto von uns. Nur wir zwei, wir und Anna, die Leser sollen nicht denken, das hier sei eine Veranstaltung für Männer.«
    Bradtke stellte sie an den Rand der Pflanzung, die Füße im Gras, hinter Engelhardt eine junge Palme. Walter hatte sich ein Tuch um die Hüften gewickelt und aus dem Berg von Kleidern ein Hemd rausgesucht. Anna trug ein Leinenkleid, im Haar einen geflochtenen Kranz. Engelhardt den üblichen Lendenschurz.
    Anna stand in der Mitte und hielt beide Männer im Arm. Er genoss die Berührung, sanft war sie und leicht und doch deutlich.
    »Jetzt gleich nicht mehr bewegen«, sagte Bradtke. Walter machte einen halben Schritt nach vorne, schob Anna mit sich, die Engelhardt loslassen musste. Der blieb hinten stehen. »Gleich zähle ich bis drei, dann rührt ihr euch nicht mehr.« Anna ließ den Arm von Walters Hüfte sinken und lehnte sich zu Engelhardt. Eins.
    Walter zog Anna zu sich herüber. Engelhardt spürte der Berührung ihrer Hand nach, ein Sehnen an der Stelle, wo sie gerade noch lag. Zwei.
    Sie wehrte sich lächelnd gegen Walter.

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