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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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ins Gesicht. Danach, ohne vom Pferd zu steigen, riß sie ihm eigenhändig die Litzen herunter:
    »Sie hätten nie mein Liebhaber sein können, Hauptmann«, fuhr sie ihn an. »Ich gehe nicht mit Feiglingen ins Bett.«
    Die andere Geschichte war im Regierungspalast passiert. Doña Pancha hatte vier Offiziere des Heeres zu einem Abendessen gebeten. Die Marschallin war eine charmante Gastgeberin, scherzte mit ihren Gästen und bewirtete sie mit erlesener Höflichkeit. Als der Moment des Kaffees und der Zigarre kam, entließ sie die Bediensteten. Sie schloß die Türen und wandte sich mit der kalten Stimme und dem erbarmungslosen Blick ihrer zornigen Ausfälle an einen ihrer Gäste:
    »Haben Sie Ihren drei hier anwesenden Freunden gesagt, Sie seien es leid, mein Liebhaber zu sein? Wenn sie Sie verleumdet haben, dann werden Sie und ich ihnen geben, was sie verdienen. Doch wenn es stimmt, und angesichts Ihrer Blässe fürchte ich, daß es so ist, dann werden diese Offiziere und ich Ihnen den Rücken blutig peitschen.«
    Ja, Florita, diese Frau aus Cusco, die von Zeit zu Zeit unter Anfällen von Epilepsie litt – einmal geschah es in deiner Gegenwart –, die sie im Verein mit ihren Niederlagen und Krankheiten ins Grab brachten, bevor sie das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet hatte, erteilte dir eine unvergeßliche Lehre. Es gab also Frauen – sogar in diesem rückständigen, ungebildeten, halbfertigen Land am Ende der Welt –, die sich nicht demütigen oder wie Sklavinnen behandeln ließen und denen es gelang, sich Respekt zu verschaffen. Die selbst etwas galten, nicht nur als Anhängsel des Mannes, ja sogar verstanden, die Peitsche zu handhaben oder mit der Pistole zu schießen. War Oberst Bernardo Escudero Liebhaber der Marschallin? Dieser spanische Abenteurer, der genau wie Clemente Althaus nach Perugekommen war, um sich als Söldner in den Bruderkriegen zu verdingen und auf diese Weise vielleicht ein Vermögen zu machen, war seit drei Jahren Doña Panchas Schatten. Als Florita ihn geradeheraus danach fragte, leugnete er es empört: Verleumdungen von Feinden der Gamarra-Gemahlin natürlich! Aber du warst nicht sehr überzeugt.
    Escudero war kein schöner Mann, aber er war sehr attraktiv. Schlank, heiter, galant, war er belesener und weltläufiger als die Männer ihrer Umgebung, und Flora verbrachte sehr angenehme Augenblicke mit ihm in den Tagen, als Arequipa sich zähneknirschend der Besetzung durch die Truppen San Románs fügte. Sie sahen sich morgens und abends, unternahmen Spazierritte nach Tiabaya, zu den Thermalquellen von Yura und zu den Abhängen des Misti, des Schutzvulkans der Stadt. Flora bedrängte ihn mit Fragen über Doña Pancha Gamarra und über Lima und seine Bewohner. Er antwortete mit grenzenloser Geduld, voll Geist und Witz; er war von vollendeter Höflichkeit, ein unwiderstehlich sympathischer Mann. Und wenn du nun Oberst Bernardo Escudero heiratetest, Florita? Und wenn du dich nun wie Pancha Gamarra in die Macht hinter dem Thron verwandeltest, um von dort oben unter dem Einsatz von Intelligenz und Macht zugleich die Reformen durchzuführen, die die Gesellschaft brauchte, damit die Frauen nicht länger die Sklaven der Männer wären?
    Es handelte sich nicht um eine flüchtige Phantasie. Die Versuchung, Escudero zu heiraten, in Peru zu bleiben, eine zweite Marschallin zu werden, bemächtigte sich deiner so stark, daß du, entschlossen, den Oberst zu verführen, in einer Weise mit ihm zu kokettieren begannst, wie du es nie zuvor mit irgendeinem Mann getan hattest und es auch nie wieder tun würdest. Der Arglose ging dir im Handumdrehen ins Netz. Sie schloß die Augen – eine Brise war aufgekommen und milderte die Hitze des glühenden Sommers in Nîmes – und erlebte dieses Tischgespräch noch einmal. Bernardo und sie allein, im Haus der Familie Tristán. Ihre Worte hallten unter dem hohen Gewölbe wider. Plötzlichfaßte der Oberst ihre Hand und führte sie sehr ernst an seine Lippen: »Ich liebe Sie, Flora. Ich bin verrückt nach Ihnen. Sie können mit mir tun, was Sie wollen. Ich möchte Ihnen stets zu Füßen liegen.« Warst du glücklich über diesen raschen Triumph? Im ersten Augenblick, ja. Deine ehrgeizigen Pläne begannen, Wirklichkeit zu werden, und mit welchem Tempo. Doch kurz darauf, als der Oberst dich beim Abschied im dunklen Eingang des Hauses in der Calle Santo Domingo in die Arme nahm, dich an sich drückte und deinen Mund suchte, zerbrach der Zauber. Nein, nein, mein Gott,

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