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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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trinken. Denn nichts, nicht einmal jener furchtbare Winter vor achtzehn Jahren, ließ sich mit der Ohnmacht vergleichen, die du jeden Tag fühltest, wenn du versuchtest, fast blindlings die Farben und Formen auf die Leinwand zu bringen, die Haapuanis Anwesenheit dir eingab. Die Anwesenheit, denn was du von ihm sahst, war wenig mehr als eine Silhouette ohne Gesicht. Letzteres war dir nicht so wichtig. Im Gedächtnis bewahrtest du deutlich das trotz seiner Jahre anziehende Gesicht von Tohotamas Ehemann, auch die Vorstellung des Bildes, das du malen wolltest. Ein schöner Hexer, der zugleich ein mahu war. Ein kokettes, vornehmes Wesen mit kleinen Blumen in seinem glatten, langen, weiblichen Haar, eingehüllt in einen großen roten, über seinen Rücken wallenden Umhang, mit einem Blatt in der rechten Hand, das seine geheimen Kenntnisse der Pflanzenwelt verrät – Liebestränke, Heilsude, Gifte, Zaubermittel –, und hinter ihm, wie immer auf deinen Bildern (warum, Koke?), zwei in die Vegetation eingebettete Frauen – real oder vielleicht phantastisch, in mysteriösen männlichen Kapuzen mit mönchischen, mittelalterlichen Anklängen –, die ihn beobachten, fasziniert oder erschrocken durch sein geheimnisvolles, zweideutiges Gebaren und seine schamlose Freiheit. Auch einen Hund würde es geben, zu Füßen des Hexers, einen Hund mit seltsamem Knochenbau, der vielleichtaus der Unterwelt der Maori gekommen war. Ein schwarzer Hahn, ein Fluß mit weißblauem Wasser und ein Abendhimmel würden zwischen den Bäumen des Waldes, im Hintergrund, erscheinen. Du sahst es ganz deutlich vor dir, doch um es auf die Leinwand zu übertragen, mußtest du jeden Augenblick Haapuani selbst oder Tohotama oder auch Tioka, der bisweilen kam, um dich arbeiten zu sehen, nach den Farben und den Mischungen fragen, die du fast intuitiv machtest, ohne die Ergebnisse überprüfen zu können. Sie waren guten Willens, aber sie besaßen weder die Worte noch die Kenntnisse, um deine Fragen zu beantworten. Dich quälte der Gedanke, ihre ungenauen Angaben könnten dein Werk verderben. Die Arbeit ging sehr langsam voran. Bewegtest du dich vorwärts oder rückwärts? Schwer zu sagen. Wenn die Ohnmacht dir Seufzer entriß oder dich zu Weinkrämpfen und Flüchen trieb, verharrten Haapuani und Tohotama reglos an deiner Seite und warteten respektvoll, bis du dich beruhigt hattest und wieder den Pinsel nahmst.
    Und dann erinnerte sich Paul, daß in jenem harten Winter vor achtzehn Jahren, als er auf den Pariser Bahnhöfen Plakate klebte, der Zufall ihm ein kleines Buch in die Hände gespielt hatte, das von seinem Besitzer auf einem Stuhl in einem schäbigen Café am Ostbahnhof vergessen oder einfach zurückgelassen worden war, in das er sich am Ende des Arbeitstages setzte, um einen Absinth zu trinken. Sein Verfasser war ein Türke, der Künstler, Philosoph und Theologe Mani Velibi-Zumbul-Zadi, der in dieser Abhandlung seine drei Berufungen miteinander verbunden hatte. Die Farbe drückte ihm zufolge etwas Verborgeneres und Subjektiveres aus als die natürliche Welt. Sie war Ausdruck des Empfindungsvermögens, der Glaubensvorstellungen und der Phantasien des Menschen. In die Wertung und in den Gebrauch der Farben ging die Spiritualität einer Epoche ein, mitsamt den Engeln und Teufeln des einzelnen. Deshalb durften echte Künstler sich angesichts der natürlichen Welt nicht von der malerischen Mimesis versklavenlassen: grüner Wald, blauer Himmel, graues Meer, weiße Wolke. Sie sollten die Farben aus innerer Notwendigkeit oder aus ihrer bloßen persönlichen Laune heraus wählen: schwarze Sonne, sonnengelber Mond, blaues Pferd, smaragdfarbene Wellen, grüne Wolken. Mani Velibi-Zumbul-Zadi sagte auch – wie gelegen kam dir jetzt diese Lehre, Koke –, daß die Künstler, um ihre Authentizität zu bewahren, von Modellen absehen und sich beim Malen ausschließlich auf ihr Gedächtnis verlassen sollten. Auf diese Weise könnten sie in ihrer Kunst besser ihre geheimen Wahrheiten Gestalt werden lassen. Genau das tatest du, von deinen Augen gezwungen, Koke. Würde der Hexer von Hiva Oa dein letztes Bild sein? Die Frage ließ dich würgen vor Wut und Traurigkeit.
    »Wenn ich dieses Porträt beende, werde ich nicht wieder zum Pinsel greifen, Haapuani.«
    »Willst du damit sagen, daß ich dich ins Grab bringe, weil du mich malst, Koke?«
    »In gewisser Weise ja. Du wirst mich ins Grab bringen, aber ich werde dich unsterblich machen. Du kommst besser weg,

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