Das Paradies ist woanders! (German Edition)
ihn vorschriftsmäßig hier abgeliefert haben. Keiner der beiden Soldaten hat noch ein Wort zu ihm gesagt, sie sind nur schweigend an ihm vorübergegangen, Richtung Ausgang. Aber Carlos hat ihm, fast unmerklich, zugenickt, als es keiner der anderen Männer sehen konnte. Joshua hat es gesehen.
Er weiß, dass ihn diese Geste trösten sollte, aber sie hat ihn nur in eine noch größere Verzweiflung gestürzt. Jetzt sitzt er also auf dem Flur und wartet, obwohl er den kaum zu unterdrückenden Drang verspürt, einfach wegzulaufen.
Dann nähern sich rasche Schritte, zwei Aufseher kommen auf ihn zu, fordern ihn auf, mitzukommen. Er gehorcht sofort, will jetzt nicht auch noch Ärger bekommen. In diesem Augenblick scheint ihm plötzlich alles zuviel, er weiß nicht, wie er die Zeit im Gefängnis überstehen soll. Wenn nur irgendjemand da wäre, mit dem er darüber sprechen könnte ... Aber auch diesen Jemand gibt es nicht. Die Männer bringen ihn in eine Zelle, deuten auf einen Stapel Decken, der auf einer der vier Pritschen liegt und schließen die Türe hinter ihm. Zum ersten Mal, seit vielen Stunden, ist er alleine.
Er lehnt sich mit dem Rücken an die Wand des kleinen Raumes. Langsam rutscht er dann herunter, bis er auf dem Boden hockt. Er faltet seine Arme um die Knie, legt sein Gesicht darauf ab und beginnt hemmungslos zu weinen. Die gesamte Anspannung der letzten Tage entlädt sich in diesem Moment, er blendet all das aus, was sich um ihn herum befindet.
Joshua hat keine Vorstellung, wie lange er dort gesessen hat, seine Augen werden trocken, als er keine Tränen mehr besitzt, sein Körper zuckt, ohne dass er es kontrollieren kann.
Er registriert seine Umwelt nur verschwommen, nimmt keine Geräusche mehr wahr. Deshalb schrickt er auch zusammen, als ihn plötzlich jemand sanft an der Schulter berührt.
Joshua hebt den Kopf, versucht aufzusehen, aber zunächst erscheinen die Bilder verschwommen. Es dauert eine geraume Zeit, bis er wieder klar sehen kann, und in diesem Augenblick zuckt er nochmals zusammen. Vor ihm steht ein Mann, den er an dieser Stelle, und um diese Zeit, am wenigsten dort vermutet hätte. Vor ihm steht der kleine Mann, der ihn, wenige Stunden zuvor, untersucht hat. Der Mann, in dessen Anwesenheit er die bisher peinlichsten Dinge erlebt hat, die ihm in seinem bisherigen Leben passiert sind.
Er sieht diesem Mann direkt in die Augen, sucht den kalten, abschätzenden Blick, mit dem er ihn schon einmal gemustert hat. Sucht auch das herablassende Grinsen auf dem Gesicht, mit dem er sich, vor gar nicht allzu langer Zeit, über ihn lustig gemacht hat. Aber nichts von all dem findet er jetzt. Der Mann sieht ihn eher mitfühlend an, er hat den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, um ihn genauer betrachten zu können. Es scheint fast, als suche er eine Antwort darauf, wie er ihm helfen kann. Joshua weiß nicht, was er von der ganzen Sache halten soll. Deshalb blickt er den Mann nur fragend an.
„Du wunderst dich zu recht, mein Junge. Woher sollst du auch wissen, mit wem du es zu tun hast. Aber ich will dich nicht lange im Unklaren darüber lassen, auch wenn wir vermutlich, um diese Zeit des Tages, nicht so schnell gestört werden. Die meisten der Gefangenen sind beim Essen, die Aufseher sind also gut beschäftigt, und ich habe mir gedacht, dass ich dich vielleicht einmal besuchen sollte. Habe schon vermutet, dass es dir nicht besonders gut geht, nach all dem, was du heute erlebt hast. Für einen Frischling wie dich, hast du es allerdings ziemlich ordentlich durchgestanden, habe schon schlimmere Fälle gehabt. Ich meine, dafür, dass du keine Ahnung hattest, was so alles auf dich zukommen würde.“
Hier macht der Mann eine kurze Pause, in der er Joshua eingehend betrachtet.
„Ich bin übrigens Rodriguez, der Gefängnisarzt. Rico hat mich vorhin darum gebeten, dass ich mich ein wenig um dich kümmere. Er meinte, dass sie dich ziemlich hart rangenommen haben, .. unterwegs.
Ich denke, da hat er sogar noch leicht untertrieben, wenn ich mir die Blutergüsse und Prellungen in Erinnerung rufe, die ich vorhin auf deinem schönen, jungen Körper gesehen habe!“
Joshua schluckt einmal schwer. Der Gefängnisarzt! Ausgerechnet der Mann, mit dem er diese unangenehmen Erinnerungen verbindet, ist seine Kontaktperson. Er muss noch einmal schlucken, bevor er etwas erwidern kann.
„Rico?“
Das ist alles, was ihm in diesem Moment einfällt. Rico! Ausgerechnet der Soldat, der mich gestern mitleidlos
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