Das Paradies liegt in Afrika
mir, es sei eine der gröÃten weltweit, ein kleines geologisches Wunder.«
Der junge Jurist winkte ab. »Danke für diese Einladung, aber das ist mir leider nicht möglich. Ich habe versprochen, einem Freund in der Kanzlei zu helfen. Die Praxisarbeit interessiert mich sehr. Mein Freund wollte sich zunächst in Deutsch-Südwestafrika niederlassen, denn er ist ein Bekannter von Adolf Lüderitz. Nun zieht er es aber doch vor, hierher ans Kap zu kommen.«
»Schade. Ich hätte euch gern bei mir gehabt.« Hannah nahm noch einen Schluck Kaffee. »Dann werde ich allein mit meinem Abenteurer in Richtung Witwatersrand reisen müssen.«
Der Abend verging mit lebhaften Unterhaltungen. Karoline war glücklich darüber, dass ihre Familie endlich in vollkommener Harmonie lebte. Charlotte und der strebsame Jurist Peter Dielburg würden Ende des Jahres heiraten, das hatten sie ihr gestern verkündet. Und auch Victor schien sein Herz entdeckt zu haben. Die Blicke, die er Olivia zuwarf, sprachen von groÃer Zuneigung.
Die junge Frau allerdings gab Karoline Rätsel auf. Sie war klug, liebenswert und von bezaubernder Anmut. Doch es schien sie ein Geheimnis zu umgeben, das niemand zu lüften vermochte. Schade für dich, mein Sohn, dachte Karoline, die sah, wie verliebt Victor seine junge Assistentin anschaute.
Nach dem Essen lieà Karoline Mokka servieren. David und Frederic gingen für ein paar Minuten hinaus in den Garten, um eine Zigarre zu rauchen.
»Ich darf mich jetzt verabschieden«, erklärte Olivia, nachdem sie ihren Kaffee getrunken hatte. »Herzlichen Dank für Ihre Einladung, Missis Ruhland. Es war mir eine Ehre, hier bei Ihnen sein zu können.«
Karoline sah ihren Sohn auffordernd an. »Du möchtest Fräulein Olivia sicher nach Hause begleiten, Victor. Ich sage Pandu Bescheid, dass er die Kutsche vorfährt.«
Doch Olivia winkte ab. »Danke, aber das ist wirklich nicht nötig. Ich kann die kurze Strecke zu Fuà zurücklegen.«
»Dann begleite ich Sie!« Victor stand auf und ging zur Tür. Sein Gang war mit der Zeit immer sicherer geworden, den Stock brauchte er daheim gar nicht mehr.
DrauÃen vor dem Haus wehte ein heftiger Wind von Nordost, und Olivia zog sich das wollene Tuch, das sie gegen die Nachtkühle schützen sollte, fester um die Schultern. Sie war versucht, rasch nach Hause zu laufen, doch in Victors Begleitung war das nicht möglich.
»Sie frieren.« Der junge Arzt zog seinen Pelerinenmantel aus und hängte ihn ihr um.
»Aber jetzt wird Ihnen kalt.«
Er winkte lächelnd ab. »So rasch friere ich nicht.«
Eine Weile gingen sie schweigend weiter. Der Wind wurde noch heftiger, die ersten Regentropfen fielen vom nachtdunklen Himmel.
»Gehen Sie zurück, Herr Doktor, ich laufe schnell die beiden StraÃenzüge, dann bin ich daheim.« Olivia blieb stehen und wollte Victor seinen Mantel zurückgeben. Dicht standen die beiden jungen Menschen voreinander, die Blicke lieÃen sich nicht mehr los.
»Olivia, ich â¦Â« Victor zögerte. Im flackernden Licht der Gaslaterne wirkten Olivias Augen übergroÃ. »Ich begleite Sie bis zu Ihrer Wohnung.«
»Ja.« Sie senkte den Kopf, bewegte sich aber keinen Schritt weiter.
Victor zögerte noch einen Atemzug lang, dann lieà er den Stock fallen und nahm das Mädchen, das er liebte, in den Arm. Der erste Kuss war voller SüÃe. Nur zart berührten sich ihre Lippen, aber dann war es Olivia, die sich fester in Victors Arme schmiegte.
Doch nur Sekunden dauerte die vertraute Nähe, dann riss Olivia sich los und wollte davonlaufen.
»Bleib stehen! Olivia, bitte!« Hinkend versuchte Victor, ihr zu folgen, doch auf dem feuchten Pflaster rutschte er aus und fiel zu Boden. Sein unterdrückter Schmerzensschrei lieà Olivia innehalten.
Als sie sah, dass er allein nicht aufstehen konnte, hastete sie zurück und stützte ihn. »Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Verzeih, aber ich kann nicht â¦Â«
»Was kannst du nicht? Mich lieben?« Der Mann ignorierte den Schmerz in seiner linken Hüfte. Er legte die Hand unter Olivias Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.
Sie biss sich auf die Lippen und senkte den Blick.
»Olivia, bitte, hab doch Vertrauen zu mir und sag, was dich bedrückt.« Victor zog die Widerstrebende an sich. »Was immer es auch ist â ich werde
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