Das Paradies liegt in Afrika
hin, dann ging sie zurück zum Gutshaus und nahm ihre Arbeit auf.
Hannah hatte derweil den entgegengesetzten Weg eingeschlagen. Ein warmes Tuch fest um die Schultern geschlungen, ging sie erst ein Stück in Richtung Einfahrt, dann machte sie kehrt und schlug den Weg zu den Wohnhäusern der Arbeiter ein. Eine innere Unruhe hatte sie erfasst. Nur im Geheimen gestand sie sich ein, dass sie sich nach Frederic Horseley sehnte, der seit zwei Wochen nichts mehr von sich hatte hören lassen. Lag ihm doch nicht so viel an ihr, wie sie sich eingebildet hatte? Der Gedanke tat weh.
Als sie an der Hütte vorüberging, in der der alte Will so lange gelebt hatte, gingen ihre Gedanken in die Kindheit zurück. Wie behütet und glücklich war sie aufgewachsen! Als kleines Mädchen hatte sie Will oft zugehört, wenn er von den Pionierjahren erzählte. Sie hatte dann neben ihm auf dem Holzboden seiner Hütte gehockt, während Will seinen Schaukelstuhl sanft hin und her bewegte und in den Sonnenuntergang schaute.
Wie lange war das her! Fast ein halbes Leben!
Hannah schlug den Weg zum kleinen Friedhof ein, nicht ahnend, dass ihre Mutter vor wenigen Minuten erst von diesem Ort fortgegangen war. Hannah sah sich um. Hier lagen all diejenigen, die einmal auf Hopeland gelebt â und hier gestorben waren. Da waren in erster Linie Ben und Charlotte Ruhland, die Begründer des Gutes. Rechts neben Charlotte lag Sebastian, der innig geliebte Sohn, der viel zu früh hatte sterben müssen.
Hannahs Blick blieb an der kleinen, wunderschön gearbeiteten Madonnenstatue hängen, die den Mittelpunkt einer gemauerten, offenen weiÃen Kapelle bildete. In einer oval gemauerten Nische stand die zarte, mit Blattgold verzierte Statue, die die Gottesmutter und Jesus darstellte. Es war eine hervorragende Arbeit, und am Anfang hatten die Bewohner des groÃen Weingutes gefürchtet, dass heidnische Schwarze die Statue stehlen könnten. Doch nie hatte es jemand gewagt, Hand an dieses Marienbild zu legen.
Ben Ruhland hatte die Marienstatue von Hanne Schneeberger geerbt, es war Hannes Erinnerung an die einzige, groÃe Liebe ihres Lebens. Die derbe Wirtin, die eine Hafenkneipe in Kapstadt betrieben hatte, war der erste Mensch gewesen, mit dem Ben in seiner neuen Heimat gesprochen hatte. Hanne, die ebenso wie der Winzer einst aus deutschen Landen nach Südafrika ausgewandert war, hatte in Ben nicht nur einen Landsmann gesehen, sie hatte ihn geliebt wie einen Sohn und ihm viel Gutes getan.
Jetzt ruhte sie ganz in Bens Nähe. So wie viele getreue Gefährten der ersten Jahre. Ihr Blick fiel auf die weiÃen Rosen auf des Vaters Grab, und nun wurde ihr bewusst, dass er heute vor einem halben Jahr verstorben war. Weh schluchzte sie auf und sank in die Knie.
»Sei nicht so sentimental. Das hilft gar nichts.« Die harte Stimme, die sie eine kleine Ewigkeit nicht gehört hatte, lieà Hannah zusammenzucken. Ruckartig stand sie auf und wandte sich um.
»Du â¦Â«
»Ja. Ich binâs. Du siehst keine Gespenster.« Nur zwei Schritte hinter Hannah stand Madeleine Lammersburg. Ihr schmaler Mund war zu einem spöttischen Lächeln verzogen.
»Madeleine â was machst du hier?«
»Na, was wohl? Ich bin heimgekehrt. So wie du wohl auch. Zwei Gestrandete kehren in den Schoà der ach so ehrenwerten Familie zurück.« Ihre Stimme war voller Hohn.
»Was ist passiert? Wir haben ewig lange nichts von dir und deinem Mann gehört.« Hannah hatte sich abgewandt und war ein paar Schritte weiter gegangen. Sie wollte nicht mit Madeleine zusammen an den Gräbern von Ben und Karl stehen. So viel Leid hatte diese Frau über die Ruhlands gebracht â und so, wie sie sich jetzt gab, war sie immer noch von Hass und Bösartigkeit erfüllt.
»Jo ist tot. Das weiÃt du doch!«
»Schon, aber â¦Â«
»Darüber gibt es nichts mehr zu sagen.« Madeleine zog ihren Pelzkragen noch ein wenig höher. »Wichtig sollte für euch nur eins sein: Ich habe Summerset verkauft. Eigentlich wollte ich es Sophie sagen, doch so ist es einfacher.«
»Was hast du gemacht?« Entsetzt sah Hannah die Ãltere an. »Du weiÃt doch genau, wie dringend mein Vater â und jetzt Christopher das Land gebraucht hätten, um das Gut noch weiter auszubauen. Summerset hat einige sehr gute Schieferböden. Weiter nordöstlich gibt es kein Weinland mehr, da beginnt
Weitere Kostenlose Bücher