Das Paradies liegt in Afrika
sehnsüchtigen Blick zum Bootshaus zurück.
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D ie drei modisch gekleideten Damen schlenderten langsam die Long Street entlang. Hin und wieder blieben sie stehen und bewunderten die Auslagen in den Geschäften; es geschah auch, dass sie für kurze Zeit in einem Ladenlokal verschwanden und dann, mit einem Päckchen am Arm, wieder hinaus auf die StraÃe traten. Etliche mehr oder weniger diskret bewundernde Blicke folgten den eleganten Erscheinungen.
Als sie zur Groote Kerk kamen, bat Sophie Ruhland: »Lasst uns kurz hineingehen, ich möchte eine Kerze entzünden und ein Gebet für Karl sprechen.«
Hannah und Karoline nickten zustimmend. Die drei Frauen waren für vier Tage nach Kapstadt gekommen, um Einkäufe zu tätigen. Auf Hopeland ging es zurzeit relativ ruhig und gemächlich zu, vor allem für die Frauen gab es nicht allzu viel zu tun. Die Arbeiter waren, so wie fast das ganze Jahr hindurch, im Weinberg beschäftigt. Für sie kochten die Mägde, die von der alten Josy streng beaufsichtigt wurden. Es war Karoline nicht schwergefallen, Sophie und Hannah zu einem Ausflug in die Stadt zu überreden.
»Du musst auf andere Gedanken kommen«, hatte sie zu ihrer Schwiegermutter gesagt. »Wenn wir im Stadthaus sind, können wir bummeln gehen, vielleicht ein Konzert besuchen und Freunde treffen.« Das Stadthaus befand sich im ältesten Teil Kapstadts, ein imposantes, weitläufiges Gebäude aus dem Jahr 1791 , das einer der Vorfahren der Ruhlands errichtet hatte. Das dreistöckige Haus bot viel Platz, es besaà eine weitläufige Halle, einen Gesindetrakt und einen Festsaal. Als Karoline und Christopher heirateten, war hier für die Freunde aus der Stadt ein groÃer Ball ausgerichtet worden. Auf dem Gut hingegen hatten sie mit anderen Winzern und den Angestellten ein ungezwungenes, fröhliches Fest gefeiert.
Sophie hatte sich stets gern in dem Stadthaus aufgehalten, gemeinsam mit Karl hatte sie hier Freunde empfangen, einmal sogar einen hohen englischen Diplomaten, der mit dem Königshaus verwandt war.
Sie hatte Karoline nicht widersprochen und eine Reisetasche für den Aufenthalt in der Stadt gepackt. Nun mühte sie sich tapfer, den bohrenden Schmerz in ihrem Herzen zu bekämpfen. Die Familie brauchte sie! Hopeland brauchte sie! Und jetzt, da sie den zweiten Tag in Kapstadt war, gestand sie sich ein, dass ihr die Ablenkung guttat. Sogar der Einkaufsbummel hatte ihr Freude gemacht. Weihnachten stand vor der Tür, da galt es, Vorbereitungen zu treffen und rechtzeitig Geschenke zu besorgen. Jeder, der auf Hopeland arbeitete, durfte eine Kleinigkeit erwarten, das wurde seit Jahrzehnten so gehalten.
Das hohe Gotteshaus war in angenehme Helligkeit getaucht. Durch die hohen gotischen Fenster fiel genügend Licht, so dass man die gemusterten batavischen Fliesen in ihren natürlichen Farben gut sehen konnte. Am Altar brannten Kerzen, tauchten diesen Teil des Gotteshauses in warmes, gelblich schimmerndes Licht. Ein Duft von Bienenwachs war zu spüren. Es überlief Sophie ein leichter Schauer, als sie über die steinernen Grabsteine schritt, die als Bodenbelag des Gotteshauses dienten. Hannah, die lange nicht mehr hier gewesen war, lieà sich unterhalb der kunstvoll geschnitzten Orgel nieder und faltete die Hände zum Gebet. Karoline und Sophie opferten zunächst eine der dicken gelben Wachskerzen, die in einem Korb bereitlagen, dann setzten sie sich neben Hannah in die dunkel gebeizte Holzbank.
Sophie, die einige Monate nach Karls Tod die schwarze Trauerkleidung abgelegt hatte, trug immer noch gedeckte Farben. An diesem Tag hatte sie für den Stadtbummel ein reinseidenes Kostüm mit kurzer Jacke gewählt. Rock und Jacke waren hellgrau, der kleine Stehkragen mit Volantabschluss aus schwarzer Spitze.
Während Sophie und Hannah die Köpfe im Gebet gesenkt hielten, schaute Karoline zur Decke der Kirche und bewunderte einmal mehr die kunstvollen Schnitzereien der gewölbten Holzdecke und die beiden Löwenköpfe an der Kanzel. Sie wirkten auf den flüchtigen Betrachter gewiss einschüchternd, Karoline jedoch bewunderte vor allem die handwerkliche Kunst des Schnitzers. Ein Geräusch an der Eingangstür lieà sie leicht zusammenfahren. Jemand räusperte sich, ein paar Schritte waren zu hören â dann fiel die Tür wieder zu.
Karoline wandte den Kopf. Sie hatte plötzlich die Ahnung einer drohenden
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