Das Paradies liegt in Afrika
Scherzworte mit dem Engländer gewechselt hatte, schreckte auf und versuchte, den Wallach rasch durchzuparieren, doch die PferdestraÃenbahn fuhr etliche Meter an der angegebenen Haltestelle vorbei.
Sophie hatte den kleinen Sonnenschirm geschlossen und trat einen Schritt vor, um dem Gefährt besser entgegensehen zu können. Wie zufällig fiel ihr Blick auf eine Person, die auf der anderen Seite der Schienen stand, aber im nächsten Augenblick bereits von dem wuchtigen Pferdeleib verdeckt wurde. Ungläubig weitete sich Sophies Blick, sie streckte sich, um etwas zu sehen, taumelte, stolperte â und fiel.
Ein Schrei aus mehreren Kehlen ertönte, als zwei der Räder die schlanke Frauengestalt erfassten, die zum Entsetzen aller etliche Meter mitgeschleift wurde. Sophies Schreckensschrei hörte niemand, zu laut war das Stimmengewirr, das aufbrandete.
»O mein Gott!« Karoline biss sich auf die Lippen, dann raffte sie den Rock und lief zu Sophie. Ein paar Männer waren schon dabei, die Verletzte zu bergen. Der Kutscher, kreidebleich und zitternd, war vom Bock gesprungen und hielt das Pferd am kurzen Zügel.
»Was ist mit ihr?« Karoline schob einen älteren Mann zur Seite. »Lebt sie?«
»Ja.« Ein rothaariger Bursche, gerade zum Mann herangewachsen, drehte sich um. »Ich bin Medizinstudent. Sie atmet, doch der Puls ist schwach.«
»Mama ⦠kannst du mich hören?« Hannah ging neben der Verunglückten in die Knie. Sie wollte Sophie aufrichten, doch der rothaarige junge Mann hinderte sie daran.
»Lassen Sie das lieber. Vielleicht hat die Dame innere Verletzungen. Oder Knochenbrüche.«
»Aber wir müssen sie doch von hier fortbringen!«
»Es wird schon um Hilfe gerufen. Ein Arzt wohnt ganz in der Nähe. Und das Hospital ist auch nicht weit.«
Das alles hörte Hannah nur noch wie durch Watte. Ihre Aufmerksamkeit war ganz auf Sophie konzentriert. Blass, mit geschlossenen Augen lag sie auf einer der Schienen. Blut sickerte aus einer Platzwunde an der Stirn, der linke Arm lag, merkwürdig abgewinkelt, im StraÃenstaub. Noch immer hielt die Hand den kleinen Sonnenschirm umfasst.
Ein grauhaariger, breitschultriger Mann kam im Laufschritt näher. »Dr. Grisham â endlich.« Der rothaarige Medizinstudent erhob sich. »Ich habe dafür gesorgt, dass die Dame ruhig liegen bleibt.«
»Gut.« Dr. Grisham, in einen taubenblauen Zweireiher gekleidet, kniete sich neben Sophie. Er sprach sie an, und zu Karolines und Hannahs Erleichterung öffnete die Verletzte die Augen, sie konnte sogar zwei Fragen des Arztes beantworten. »Sie wissen, was geschehen ist?«
»Ja ⦠ich bin gestolpert und gestürzt.«
»Haben Sie Schmerzen?«
»Es ⦠es geht. Mein Arm tut weh.«
»Ich muss Sie kurz untersuchen, um festzustellen, ob Sie sich vielleicht Brüche zugezogen haben.« Schon tastete Dr. Grisham ihren Körper vorsichtig ab. »Der linke Arm ist gebrochen, das ist aber keine groÃe Sache.« Er nickte Sophie aufmunternd zu. »Wenn Sie einverstanden sind, lasse ich Sie ins Somerset Hospital bringen. Ich leite dort die Chirurgische Abteilung.«
»Ja ⦠gut.« Sophie schloss die Augen. Ihr war übel, ein stechender Schmerz in ihrem Rücken drohte ihr die Sinne zu rauben. Sie schloss die Augen, atmete verhalten, um die aufkommende Ãbelkeit zu bekämpfen. Vorsichtig versuchte sie sich zu bewegen, doch es gelang nicht, nur den Kopf konnte sie ein wenig mehr zur Seite drehen.
»Ich bin Karoline Ruhland, die Schwiegertochter der Verletzten.« Karoline kniete sich neben Sophie. »Was fehlt ihr denn genau, Herr Doktor?«
»Das kann ich hier und jetzt noch nicht sagen.« Dr. Grisham fuhr sich mit der linken Hand über den grauen Bart. »Was ich sehen kann, ist eine Fraktur des linken Armes. Alles Weitere erst, wenn ich die Patientin sorgfältig untersucht habe. â Ach, da seid ihr ja endlich!« Er winkte zwei Männer, die eine Räderkarre schoben, auf der sich eine breite, weià bespannte Pritsche befand, zu sich.
Man machte dem Fuhrwerk Platz, und nach Anweisung des Arztes hoben die Sanitäter Sophie behutsam auf die fahrbare Trage.
Die Verletzte stöhnte auf, der Schmerz in ihrem Rücken drohte sie zu zerreiÃen. Sie griff wie Halt suchend nach Hannahs Hand. Dabei ging ihr Blick zur linken Seite, dorthin, wo die
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