Das Paradies liegt in Afrika
die schon fast ganz mit Trauben gefüllt war. »Nimm die Sachen, ich muss ins Haus«, sagte sie zu der jungen Schwarzen, die in der Nähe arbeitete.
Zwei Stunden wartete Frederic. SchlieÃlich bat er Sophie, nach Hannah suchen zu dürfen, doch in dem angegebenen Teil des Weinbergs fand er sie nicht. Es konnte ihm auch niemand sagen, wo sie sich aufhielt.
»Bis vor kurzem war Missis Hannah noch da«, erzählte eine Arbeiterin, die zum weiten gelben Kleid ein gleichfarbiges Kopftuch trug, das sie zu einem Turban geschlungen hatte. Sie rollte mit den Augen, dass nur noch das WeiÃe zu sehen war. »So rasch ist sie gelaufen, die Missis. Ich weià aber nicht, wohin.«
»Danke.« Frederic Horseley ging zur Terrasse zurück, wo Sophie immer noch saà und nun die kleine Charlotte hütete, die auf den Schoà der GroÃmutter geklettert war und hingebungsvoll mit zwei Puppenkindern spielte.
»Ich glaube nicht, dass ich Hannah heute noch antreffen werde«, sagte er. »Bitte richten Sie ihr meine GrüÃe aus. Und sagen Sie ihr, dass ich nicht lockerlassen werde, bis sie mich angehört hat. Ich werde zu meinem Weingut hinüberreiten und dort übernachten. Wenn Sie erlauben, komme ich dann morgen wieder und werde versuchen, mit Hannah zu reden.«
»Sie haben auch ein Weingut? Davon wusste ich gar nichts!« Ãberrascht sah Sophie ihn an. »Wann haben Sie es gekauft?«
Frederic zuckte mit den Schultern. »Zunächst war es eine reine Geldanlage. Doch dann sagte ich mir, dass es schön wäre, ein eigenes Zuhause hier am Kap zu haben. Da kam die Offerte von Missis Lammersburg gerade zur rechten Zeit. Ich konnte ihr Gut, das in desolatem Zustand war, günstig erwerben.«
»Nein!« Aus entsetzt geweiteten Augen sah Sophie ihn an. »Das nicht! Sagen Sie, dass das nicht wahr ist! Nicht Summerset !«
14
S o stürmisch wie in den ersten Julitagen des Jahres 1864 war es lange nicht mehr gewesen. Die Temperaturen sanken unter zehn Grad, kühler Wind wirbelte goldrote Blätter durch die Luft. In den hohen Räumen des Stadthauses der Familie Ruhland war es so kühl, dass Sophie Anweisung gab, die beiden Ãfen im Salon und in ihrem privaten Wohnbereich anzuzünden.
Seit drei Wochen waren Sophie, Hannah und die beiden Kinder in Kapstadt und bewohnten das groÃe Stadthaus. Karoline, im vierten Monat schwanger, war mit ihrem Mann auf Hopeland geblieben, auf Anraten ihres Arztes sollte sie viel ruhen.
»Puh, ist das kalt geworden!« Hannah gab dem schwarzen Hausmädchen ihr Pelzcape. »Wo ist meine Mutter?«
»Im Salon. Sie übt mit Victor für die Schule.«
»Der arme Kerl! Nichts ist ihm mehr zuwider.« Sie trat vor den hohen venezianischen Spiegel, der an der Stirnseite der Halle hing, und richtete ihr Haar. »Bring mir bitte ein Glas Tee, Elli. Ich gehe mal rüber zu den beiden.«
In Sophies privatem kleinen Salon war es angenehm warm. Seit sie im Rollstuhl saÃ, hatte sich Sophie zwei Zimmer im Erdgeschoss des groÃen Hauses einrichten lassen. Das frühere Empfangszimmer war nun ihr Salon, geschmackvoll mit hellen Möbeln aus der Zeit des Biedermeier eingerichtet. Blaue Seidenportieren hingen an den Fenstern, mit dem gleichen Stoff waren die graziös geschwungenen Sessel bezogen. Ein blau-golden gemusterter Seidenteppich aus Persien vervollständigte das Ambiente.
An diesen Wohnraum schloss sich, nach Osten gelegen, Sophies Schlafraum an. Hier war im vorigen Jahr noch ein kleiner Wintergarten angebaut worden, so dass Sophie ihrer neuen Leidenschaft, dem Sammeln seltener Orchideen, nachgehen konnte. Seit sie drei der exotischen Blüten geschenkt bekommen hatte, war sie fasziniert von diesen Blumen und korrespondierte mit Blumenzüchtern in Holland, England und Italien.
Sophie und ihr Enkel saÃen an einem runden Tisch; der Achtjährige kaute verbissen auf einem Bleistiftende.
»Mama, machst du jetzt auch noch der Hauslehrerin Konkurrenz?« Lächelnd zauste Hannah durch Victors dunkle Locken.
»Er muss sehr viel Lernstoff nachholen, das weiÃt du doch.« Sophie lächelte ihrem Enkel liebevoll zu. »Aber das schaffen wir zwei ganz leicht, nicht wahr?«
»Ich mag aber nicht lesen üben. Und das Schönschreiben ist langweilig.«
»Das musst du aber können. Leider war Fräulein Hamilton viel zu nachsichtig mit dir. Wir werden in den nächsten Tagen
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