Das Paradies liegt in Afrika
das dicke Kuvert aufschlitzte. »Noten!«, stieà er begeistert hervor, als Karoline zwei Notenhefte herauszog. »Wie schön!«
»Die sind aber nicht für dich, Schatz. Es sind die neuen Walzer von Johann StrauÃ.« Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. »Man nennt ihn den Walzerkönig. Ich habe gelesen, ganz Wien liegt ihm zu FüÃen.«
»Ich kann das auch spielen. Bestimmt!« Trotzig schob Victor die Unterlippe vor. »Gib her!«
»Sprich nicht so mit mir«, rügte ihn Karoline und legte die Blätter demonstrativ zur Seite. »Hier, das sind die Noten für dich. Und ein Bilderbuch für Charlotte. Bring es ihr bitte.« Sie selbst vertiefte sich in das Begleitschreiben, das Hannah ihren Geschenken hinzugefügt hatte.
Wir sind auf dem Weg zurück nach Afrika , schrieb sie. Wenn Du diesen Brief erhältst, haben wir den schwarzen Kontinent vielleicht schon erreicht. Doch noch kann ich nicht heimkehren. Frederic hat in Southampton einen Mann kennengelernt, der ein rechter Abenteurer zu sein scheint. Er heiÃt Cecil Rhodes und hat Freunde in der Nähe von New Rush, die dort angeblich Diamanten gefunden haben. Stell Dir nur vor, Liebes, nur ein paar hundert Meilen von Hopeland entfernt sollen diese wertvollen Steine gefunden worden sein! Frederic möchte so rasch als möglich dorthin, um sich ebenfalls Schürfrechte zu sichern. Mir ist dies alles nicht ganz geheuer, doch Frederic vertraut diesem Mann.
Karoline lieà den Briefbogen sinken und schaute in Richtung Norden. Sie hatte bereits davon gehört, dass weiter oben im Nordosten Gold gefunden worden war. Witwatersrand wurde der Höhenzug genannt, der immer mehr Menschen anlockte. Die Goldsucher kamen aus vielen Ländern und allen gesellschaftlichen Schichten. Karoline jedoch traute diesem Goldrausch nicht. Aber fünf von ihren schwarzen Arbeitern hatten sich vor einigen Monaten dorthin auf den Weg gemacht und wollten ihr Glück versuchen. Von Diamantfunden hatte sie jedoch noch nichts gehört.
Wir hörten, dass in der Nähe des Oranje-Flusses Diamanten gefunden worden sind. Glaub mir, meine teure Karoline, das wird ebenfalls für Aufregung sorgen. Ich fürchte gar, dass mein Frederic auch dorthin reisen will. Er ist ein kluger Geschäftsmann und normalerweise recht besonnen, doch in einem Winkel seines Herzens ist er auch ein Abenteurer. Ich gestehe Dir offen, dass ich ihn für diesen Wesenszug noch mehr liebe.
Hoffen wir also, dass wir uns bald wiedersehen. Sei bis dahin umarmt von â Deiner treuen Hannah.
Nachdenklich lieà Karoline das Briefblatt sinken und schaute hoch zu den nördlich gelegenen Weinbergen. Etliche Meilen weiter, dort, wo sich die Berge erhoben und die Region Transvaal begann, wurde angeblich Gold gefunden! Sorge breitete sich in der jungen Winzerin aus, denn sie fürchtete, dass mit den Goldsuchern viele windige Gestalten ins Land kamen. Es blieb nur zu hoffen, dass sie nicht bis hierher, ins Weinland, ziehen würden.
Es klopfte, und David Bernhard kam einen Schritt ins Zimmer. »Sind Sie bereit für den Ausritt, Missis Ruhland?«, fragte er.
»Ja, sofort. Ich muss nur noch die Stiefel anziehen. Warten Sie doch beim Stall auf mich.« Verstohlen sah sie den hochgewachsenen Mann an. Er trug senffarbene Reithosen, darüber eine braune Jacke. Wie immer war sein Hemd blütenweiÃ. Stattlich sah er aus; allein seine bronzefarbene Haut wies ihn als einen Menschen niederen Standes aus. Dem Auftreten nach hätte er ohne weiteres ein wohlhabender Winzer sein können.
Karoline fragte sich oft, woher er dieses Selbstbewusstsein nahm. Nie war er jedoch arrogant oder überschritt seine Grenzen. Er ruhte in sich â eine Eigenschaft, die sie beeindruckte.
Wenig später ritten sie Seite an Seite vom Gutshof. Karoline hatte sich eine schlanke, doch ausdauernde Fuchsstute satteln lassen. David saà auf Wotan, dem Apfelschimmel, den einst Christopher Ruhland geritten hatte. Lange Zeit hatte das temperamentvolle Tier niemanden an sich herangelassen. Sogar Pandu, der Stallmeister, hatte Mühe, Wotan zu versorgen. Das Pferd vermisste seinen Herrn.
Karoline erinnerte sich an den Tag, an dem sie zum ersten Mal mit David einen Inspektionsritt unternommen hatte. Wie magisch angezogen war der neue Kellermeister auf Wotan zugegangen. »So ein feiner Kerl bist du.«
Leises Wiehern war die Antwort gewesen, und dann, zu
Weitere Kostenlose Bücher