Das Paradies liegt in Afrika
muss versorgt werden.«
»Zwei Bestellungen vom Württembergischen Fürstenhof, eine aus Salzburg von der Fürsterzbischöflichen Residenz, und Frederics Freund aus London will gar drei Fässer des besten Chardonnays!« Karoline sortierte die Post. Links auf einem kleinen Stapel lagen die geschäftlichen Schreiben, Aufträge und Rechnungen, rechterhand lag die private Korrespondenz. Interessiert nahm sie einen Umschlag aus Wien zur Hand, der neue Noten enthielt. »Endlich! Ich bin ja so gespannt, wie der neue Walzer von Johann Strauà klingt, der alle Welt begeistert! Er heiÃt âºAn der schönen blauen Donauâ¹.«
»Spiel es mir vor, Mama.« Charlotte, die bisher ruhig unter dem Fenster gehockt und mit ihren Puppen gespielt hatte, sprang auf und legte die Arme um Karolines Taille. »Dann lerne ich tanzen!«
»Gleich, mein Spätzchen. Ich will nur noch schnell die letzten Briefe öffnen.« Das war rasch getan, und wenig später erklangen die ersten Dreivierteltakte durchs Haus.
»Das ist schön!« Charlotte drehte sich graziös im Kreis; ihre Augen glänzten, und sie hob leicht den hellen Batiststoff höher, um sich noch schneller bewegen zu können.
Karoline sah konzentriert auf das Notenblatt, sie spielte den Walzer fast bis zum Ende, lächelnd, entspannt, glücklich darüber, ihrem Töchterchen eine Freude machen zu können. Die junge Gutsherrin war sich darüber im Klaren, dass sie zu wenig Zeit für ihre Kinder hatte. Aber es war nun einmal sehr anstrengend und zeitraubend, zwei groÃe Weingüter zu leiten. »Missis Karoline â¦Â« Unbemerkt von Mutter und Tochter war die alte Josy eingetreten. Ein paar Sekunden stand sie unter der Tür und sah Charlotte bei ihrem ausgelassenen Tanz zu, doch dann trat sie näher zum Klavier. »Es ist Besuch gekommen.« Es war etwas in ihrer Stimme, was Karoline aufhorchen lieÃ. Langsam nahm sie die Hände von den Tasten. Josy rang die Hände, ihre wie immer steif gestärkte weiÃe Schürze knisterte sacht. »Es ist Missis Madeleine.«
»Nein!« Karoline sprang auf. »Dass sie es wagt â¦Â« Mit hastigen Schritten verlieà sie das Zimmer.
Josy hatte Mühe, ihr zu folgen. »Sie wartet in der Kutsche. Und â sie ist sehr krank.«
Tief atmete Karoline ein und aus. Alles in ihr drängte danach, die hinterhältige Verwandte, die ihrer Familie so viel Unglück beschert hatte, davonzujagen wie einen lästigen Bittsteller.
»Ach! Sie ahnt also, dass sie hier nicht willkommen ist.« Während sie sprachen, hatten sie die Halle erreicht, von der drei Türen abgingen. Karoline steuerte die hintere an, die auf den Gutshof führte.
Die zweispännige Kutsche, ein einfaches Gefährt, stand nur wenige Meter von der Tür entfernt. Das Fenster öffnete sich, Madeleine steckte kurz den Kopf heraus. »Du bist gekommen â¦Â« Ihre Stimme klang heiser und war kaum zu verstehen.
Karoline trat näher. »Willst du nicht aussteigen?« Sie hatte Mühe, ihr Entsetzen zu verbergen, denn Madeleine war kaum wiederzuerkennen. Sie hatte die sechzig gerade überschritten, doch ihr Gesicht war faltenreich wie das einer Achtzigjährigen. Die Haut hatte einen gelblichen Farbton, die Lippen waren zwei schmale Striche, tief lagen die Augen in den Höhlen.
»Ich ⦠ich kann nicht allein gehen.« Es fiel Madeleine schwer, dies einzugestehen.
»Warte, ich hole Hilfe.« Karoline eilte in den Weinkeller und bat einen der Arbeiter, Madeleine aus der Kutsche zu tragen. »Bring sie ins Haus. Ich gehe voran.« Sie wandte sich an den Kutscher. »Das Gepäck können Sie gleich abladen.«
Der Mann tippte sich kurz an den Hutrand und kam der Aufforderung schweigend nach. Karoline folgte dem jungen Burschen, der Madeleine auf die Arme genommen hatte und ins Haus trug. In der Halle sah er die Gutsherrin fragend an.
»Komm mit hoch ins Gästezimmer.«
Madeleine zwang sich, die Augen geöffnet zu halten, als der kräftige Schwarze sie durchs Haus trug. So vieles hier erinnerte sie an früher, an goldene, glückliche Zeiten! Das Bild an der Wand, das ihren Vater neben einer alten Weinpresse zeigte ⦠ein Landschaftsbild, das stilisiert den kleinen Friedhof darstellte ⦠Tränen traten der Kranken in die Augen. Erleichtert atmete sie auf, als das Gästezimmer erreicht war
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