Das Paradies liegt in Afrika
gestreift worden war. Seine Rechte war voller Blut, doch er war sich sicher, dass er nur einen leichten Streifschuss abbekommen hatte.
Die Frage war nur: Wer hatte auf ihn geschossen?
»Komm raus, du Feigling, und sag mir, was ich dir getan habe, dass du aus dem Hinterhalt auf mich schieÃt!« Er lenkte Wotan in den Schatten einer WeiÃdornhecke. Niemand war zu entdecken, kein Geräusch war zu vernehmen. Nur zwei Rabenpaare flogen kreischend ein paar Runden über den Weinberg.
Es war ein heiÃer Sommertag, die Luft flirrte vor Hitze. Es war dringend nötig, die Reben jeden Tag zu wässern. So gut die Sonne den heranreifenden Trauben tat, so wichtig war es auch, die vielen Weinstöcke vor dem Verdörren zu bewahren.
David Bernhard stellte sich in den Steigbügeln auf und kniff die Augen zusammen. Er nahm das Gewehr von der Schulter, legte an, ohne jedoch ein Ziel zu haben. »Komm raus, du Feigling!« Krampfhaft überlegte er, wer wohl auf ihn geschossen haben könnte. In der letzten Zeit zogen immer wieder einmal kleine Gruppen von Fremden durch die Hügel â Wegelagerer und Abenteurer, die weiter nach Norden wollten. Dorthin, wo es angeblich Gold gab.
Gold ⦠seit Menschengedenken war es Fluch und Segen zugleich.
Ein paar Steine kullerten den Hang links von David hinab, und dann erschien ein dunkles Gesicht hinter einem Felsbrocken, der eine Weggabelung markierte. »Nicht schieÃen!« Ein Junge, höchstens sechzehn, kam mit erhobenen Händen hinter dem Felsen hervor, ihm folgten ein etwa gleichaltriges Mädchen und ein zweiter, noch jüngerer Bursche. Es waren Schwarze, die einen so zerlumpten, armseligen Eindruck machten, dass David Bernhard gleich sein Gewehr sinken lieÃ.
»Ich wollte das nicht.« Der ältere Junge hielt den Kopf gesenkt. »Da war ein Kaninchen, ich hab drauf angelegt, aber das Gewehr ist einfach hochgerissen worden.«
»Das ist ein uralter Vorderlader. Der Rückstoà ist gewaltig.« David Bernhard sprang vom Pferd, ging auf die drei jungen Leute zu. »Woher kommt ihr? Und was treibt ihr hier in den Weinbergen?«
Das Mädchen, das zu seinem verwaschenen hellgrünen Kittelkleid ein gelbes Kopftuch trug, ging zwei Schritte auf ihn zu. »Wir hatten Hunger und dachten, die Trauben wären schon reif. Aber sie sind schrecklich sauer.«
»Und â wo stammt ihr her?«
»Aus einem Dorf am Oranje. Vater hat dort eine kleine Farm gehabt. Aber wir sind von dort weg und wollen zum Meer.«
»Wir wollen in die Neue Welt. Nach Amerika.« Der jüngere der Burschen sah mit leuchtenden Augen zu David auf. »Unser Onkel wohnt dort, er wird uns aufnehmen.«
»Und die Eltern?«
»Tot. Erschossen.« Das Gesicht des Mädchens verhärtete sich, es senkte den Kopf mit dem hellen Tuch. »Dabei haben sie nichts getan, Mama wollte am Fluss nur unsere Wäsche waschen.«
»Die Männer dachten, Vater hätte Diamanten gefunden. Und das nur, weil er Mutter bewacht hat. Es kommen immer wieder wilde Tiere zum Saufen ans Wasser.« Der ältere Junge biss sich auf die Lippen, er kämpfte sichtlich mit den Tränen. »Die Fremden haben einfach geschossen. Ohne etwas zu sagen. Ich habe es ganz genau gesehen. Es waren WeiÃe. Aber auch zwei Schwarze waren dabei.«
David schwieg. Was hätte er sagen sollen? Trostworte gab es nicht.
»Hier könnt ihr nicht bleiben«, erklärte er nach einer Weile. »Ihr müsst weiter nach Westen, dort liegt Kapstadt.« Er wies hinüber zu einer schmalen Hügelkette, die im Sonnenglanz lag. »Wenn ihr die Hügel hinter euch gelassen habt, seht ihr einen hohen Berg â den Tafelberg. Haltet euch an diesen Punkt, dann seid ihr richtig.« Er ging zu Wotan und griff in die Satteltaschen. Das Paket mit dem Proviant warf er dem ältesten Jungen zu. »Hier, das stillt erst mal euren Hunger. Und pass auf mit dem alten SchieÃprügel, nicht dass es noch zu einem Unglück kommt.«
»Danke. Und â es tut mir leid, dass ich geschossen habe.«
»Schon gut, und jetzt schert euch fort.« Er stieg auf sein Pferd und sah zu, wie sich die drei Jugendlichen davontrollten. Unterwegs holte der ältere der Jungen ein Stück Brot hervor und teilte es unter den Geschwistern auf.
»Arme Kinder«, murmelte David vor sich hin, dann befahl er Wotan: »Los, reiten wir zurück nach Hopeland . Meine Wunde
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