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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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vertauscht. Ihr blondes Haar verschwand unter einem schwarzen Kopftuch. Sie hielt einen Koran in der Hand und eine Photographie in der anderen. Langsam trat sie vor, verneigte sich und begrüßte die versammelten Dorfbewohner auf arabisch.
    »Ich fühle mich geehrt, daß ich auserwählt bin, hierherzukommen und unter euch zu leben. Ich bete wie ihr zu dem einen Gott.« Sie hob feierlich den Koran hoch, und die Dorfbewohner verneigten sich. »Möge Gott diesem Dorf Gesundheit und Wohlstand schenken. Ich heiße Amira Raschid, und mein Vater war ein Pascha. Aber man nennt mich Um Mohammed.« Sie hielt das Photo hoch. »Das ist mein Sohn.«
    Man hörte Ausrufe wie »
Bismillah
!« und »Bei den drei Göttern!«. Die Dorfbewohner sahen die neue Doktorin voll Bewunderung an.
    »Sie hat einen Sohn«, sagten die Frauen untereinander. »Und sie ist die Tochter eines Pascha!«
    Eine ältere Frau im weißen Gewand der Mekka-Pilgerin erhob sich und fragte: »Mit Verlaub, Um Mohammed, ist dein Mann in Kairo?«
    »Ich hatte zwei Ehemänner. Der zweite hat sich nach einer Fehlgeburt von mir getrennt. Ich bin die Mutter dieses Sohnes und zweier Kinder, die nicht überlebt haben.«
    »Allah!« riefen die Frauen, murmelten Beileidsworte und schnalzten mit der Zunge. Die neue Ärztin hatte die Tragödie und das Leid jeder Frau erlebt. Sie drängten sich um Amira, nahmen sie bei den Armen und führten sie zum Ehrenplatz, wo ein besticktes Kissen lag. Man brachte sofort etwas zu essen und holte Musikinstrumente herbei. Die Männer saßen beisammen, zündeten die Wasserpfeifen an und erzählten sich Witze, während die Frauen sich um die neue Doktorin scharten. Sie forderten Amira auf, dieses zu versuchen und das zu trinken. Man erzählte ihr Geschichten aus dem Dorf und bedauerte immer wieder ihr Unglück. Alle waren sich einig darüber, daß die Männer unberechenbar seien. Wie konnte ein Mann diese wunderbare Frau verlassen?
    Declan betrachtete die Photographie, die von Hand zu Hand ging. Er sah das Gesicht eines gutaussehenden jungen Arabers. Aber der Junge hatte eindeutig Schwierigkeiten. Um seinen Mund lag ein trotziger Zug, die Augen verrieten, daß er unglücklich war, und er runzelte die Stirn, als ärgere ihn das Klicken des Auslösers. Connor sah die Ähnlichkeit mit Amira und lächelte. Bei Gott, sie hatte nicht nur die Dorfbewohner in Staunen versetzt.
    Khalid setzte sich neben Connor und sagte: »Bei den drei Göttern, Sajjid, die neue Doktorin ist eine große Überraschung.«
    »Das ist sie in der Tat«, erwiderte Declan. Er beobachtete Amira, die bei den Fellachen-Frauen saß und sich angeregt unterhielt. Sie hatte dieses Grübchenlächeln, das er seit fünfzehn Jahren nicht vergessen konnte. Sie hatte nie von einem Sohn gesprochen. Die Überaschung ist ihr wirklich gelungen, dachte er und mußte lachen. Dann fragte er sich: Welche anderen Überraschungen werden noch folgen?

24 . Kapitel
    Mohammed Raschids Blut war vergiftet – das Gift hatte blonde Haare, blaue Augen und eine Figur, die ihn um den Verstand brachte. Sie hieß Mimi und tanzte im Club Cage d’Or. Mimi wußte nicht einmal, daß es Mohammed gab, und erst recht nicht, daß er sie anbetete.
    Aber der junge Raschid wußte, daß es
sie
gab. Er träumte Tag und Nacht von ihr. Schon beim Gedanken an sie wurde ihm heiß und kalt. Er war verzweifelt, denn er wurde mit dieser neuen Leidenschaft nicht fertig.
    Mohammed blickte sich trübsinnig in dem kleinen Büro um, das er mit einem Schreibtisch, Aktenschränken, Formularen und Anträgen, die sich vom Boden bis zur Decke türmten, und einem Ventilator mit Wackelkontakt teilte. Er fragte sich, wie die unerreichbare Mimi einen so bedeutungslosen Menschen wie ihn auch nur bemerken sollte.
    Auf der Universität hatte er nie daran gedacht, daß er einmal in der anonymen Masse junger Männer in subalternen Stellungen wie ein Sandkorn in der Wüste untergehen könnte.
    Ihn traf an dieser deprimierenden Tatsache keine Schuld. Nassers ursprünglich so umjubeltes Versprechen, allen Absolventen von Hochschulen und Universitäten einen Arbeitsplatz zu garantieren, erwies sich für Mohammed und seine Freunde als reiner Hohn.
    Zur Zeit von Mohammeds Vater war das noch anders gewesen – Omar hatte sofort nach dem Examen eine einflußreiche, gut bezahlte Position bekommen. Aber das lag mehr als zwanzig Jahre zurück. Inzwischen entließen die Universitäten ihre Absolventen schneller, als die Regierung sie unterbringen konnte.

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