Das Paradies
aber trotz der starken Konkurrenz führte ihr Weg sehr schnell und steil nach oben. Der Ehrgeiz leuchtete ihr aus den Augen, als sie die Schärpe um die Hüfte enger band und sich darauf vorbereitete, ihrer Lehrerin das Gelernte vorzuführen. Mimi hieß eigentlich Afaf Fawwaz, aber sie hatte nach der neuesten Mode im Showgeschäft einen französischen Namen angenommen.
Dahiba schaltete das Tonband ein und drehte sich nach Mimi um, als sie ihren Neffen Mohammed entdeckte. Er stand an der Tür und starrte auf Mimi, daß man glauben konnte, die Augen würden ihm aus dem Kopf fallen.
»He, was soll das? Fort mit dir, Mohammed!« rief sie und ging ärgerlich zur Tür. »Hast du denn kein Schamgefühl?«
Mohammed wich wie betäubt zurück.
Mimi
…
Mimi im roten Trikot mit einem schwarzen Ballettröckchen!
»Was gibt es?« fragte Dahiba, trat in den Gang hinaus und schloß die Tür.
»Ähm … Großvater hat angerufen … Du sollst sofort zu ihm in die Praxis kommen. Er hat gesagt, es ist wichtig.« Mohammed machte kehrt und floh. Mimis amüsierter Gesichtsausdruck verfolgte ihn wie ein Dschinn.
Das Kaffeehaus von Feijrouz befand sich an dem kleinen Platz am Ende der Fahmy Pascha-Straße, in der Nähe der Verwaltungsgebäude, wo Mohammed arbeitete. Es war ein kleines, altes Kaffeehaus, dessen gekachelte Fassade elegante sufische Schriftzeichen schmückten. In dem halbdunklen Raum standen Bänke entlang der Wände, auf denen sich die Männer die Zeit damit vertrieben, daß sie süßen Kaffee oder Minztee tranken. Sie würfelten oder spielten Karten, während sie sich über die Regierung, ihre Vorgesetzten und sogar über sich selbst lustig machten.
Feijrouz war der Treffpunkt für junge Büroangestellte. In anderen Kaffeehäusern der Stadt trafen sich Schauspieler, Intellektuelle, arme Fellachen, reiche Geschäftsleute oder Homosexuelle. Es gab für jeden das passende Kaffeehaus, und beinahe alle diese Lokale waren die exklusive Domäne der Männer.
Als Mohammed vom großen Boulevard in die enge Gasse einbog, sah er weder die mit Graffiti bedeckten Mauern noch den vorbeifahrenden roten Motorroller, auf dem vier Männer wie Akrobaten saßen. Vor seinen Augen stand Mimis Gesicht mit den Grübchen. Sie hatte gelächelt, weil Dahiba, seine Tante, ihn wie einen dummen Schuljungen zurechtwies, und er über und über rot geworden war.
Er hatte Mimi bisher nur zweimal gesehen. Einmal war sie vor dem Cage d’Or aus einem Taxi gestiegen. Den Anblick würde er nie vergessen – zuerst streckte sie ihre langen Beine aus dem Wagen, dann folgte ihr geschmeidiger Körper. Das zweite Mal entdeckte er sie mit einem Kostüm über dem Arm im Menschengewimmel des Khan Khalili. Davor kannte er sie nur vom Fernsehen, wo sie in einer beliebten Serie eine kleine Rolle spielte. Aber das hatte genügt. Seine Liebe loderte wie ein Feuer, das ihn immer mehr zum Wahnsinn trieb.
Und nun hatte er sie endlich aus der Nähe gesehen. Im Trikot. Praktisch nackt …
Er erreichte den Platz. Aus einem Textilgeschäft trat eine westlich gekleidete Ägypterin. Sie trug hohe Absätze und hatte Mühe, auf dem holprigen Pflaster nicht umzuknicken. Mimi war vergessen. Mohammeds Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf den schaukelnden engen Rock direkt vor ihm. Als er das Kaffeehaus erreichte, wo seine Freunde bereits an einem Tisch saßen, streckte Mohammed blitzschnell die Hand aus und kniff in den drallen Hintern.
»Heee!« kreischte die Frau, fuhr herum und schlug mit der Handtasche auf ihn ein. Mohammed hielt schützend die Hände über den Kopf. Passanten scharten sich um die Frau, drohten Mohammed mit den Fäusten und beschimpften ihn, aber seine Freunde lachten und johlten.
»
Ja Allah,
Mohammed!« rief einer von ihnen, als die Frau wütend weiterging und der Menschenauflauf sich zerstreute, und sang:
»Im Paradies warten Jungfrauen auf den Frommen.
Er darf sie ungestraft küssen und lieben.
Wenn’s richtig ist, mit ihnen dort die Freuden und
Wonnen zu kosten, kann’s hier im Leben so falsch und sündhaft
nicht sein.«
Mohammed trat mit hochrotem Kopf in das Kaffeehaus und mußte den Spott der Gäste und des Besitzers über sich ergehen lassen.
Feijrouz, ein einarmiger Veteran des Sechs-Tage-Kriegs, der die meiste Zeit mit alten Freunden vom Militär Backgammon spielte, brachte dem jungen Mann ein Glas Tee. Seine dicke Frau, die den ganzen Tag in einem schwarzen Kleid und einer schwarzen Melaja an der Kasse saß und nichts
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