Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
Mittelpunkt des Lebens dieser Bauern, befanden sich die Kernstücke jedes ägyptischen Dorfes: der Brunnen – er gehörte den Frauen –, das Kaffeehaus – das Reich der Männer –, die kleine, weißgetünchte Moschee, der Fleischer, der den Schafen immer noch, wie es der Koran vorschrieb, die Kehlen durchschnitt, und die Bäckerei. Dorthin brachten die Dorfbewohner jeden Morgen ihre Brote, in die Erkennungszeichen eingeritzt waren. Sie wurden in den Backöfen gebacken und am Abend wieder abgeholt. Bauern hockten mit ihren Erzeugnissen an den Mauern und bewachten Orangen und Tomaten, Gurken und Salat, während durchziehende Händler Plastiksandalen, Comics, Käppchen und ordentlich aufgetürmte Gewürze feilhielten – Safran, Koriander, Basilikum und Pfeffer –, die beim Kauf sorgsam abgewogen und in kleine Papiertüten gefüllt wurden. Der Platz war voller Leben und Lärm, voller Ziegen, Esel und Hunde, deren Gerüche die Luft erfüllten. Kinder spielten und rannten herum, und die Dorfbewohner drängten sich neugierig um die beiden ausländischen Ärzte, während Amira und Declan Connor getrennt ihre Sprechstunden im Freien hielten.
    »Sie haben Trachome, Hadji Tajeb«, sagte Declan zu dem alten Pilger, der vor einer Pepsi-Reklame und dem in vielen kunstvollen Varianten auf die Lehmziegelmauer geschriebenen Namen »Allah« auf einem wackligen Stuhl saß. »Man kann das behandeln, aber Sie müssen das Medikament genauso anwenden, wie ich es Ihnen sage.«
    Abu Hosni, der Besitzer des kleinen Kaffeehauses zwischen dem Bäcker und dem Schuhmacher, rief munter: »Beim Propheten, Sajjid, Hadji Tajeb hat recht. Weshalb heiraten Sie die Doktorin nicht?«
    »Ich habe keine Zeit für eine Frau«, erwiderte Declan und griff in die Arzttasche. »Ich bin hier, um meine Arbeit zu tun, und Dr. van Kerk ebenfalls.«
    Hadji Tajeb sagte: »Mit Verlaub, Sajjid, wie viele Söhne haben Sie?«
    Declan träufelte Tetracyclin-Tropfen in die Augen des alten Mannes und gab ihm das Fläschchen mit der Anweisung, die Tropfen drei Wochen lang täglich anzuwenden, bevor er antwortete: »Ich habe einen Sohn. Er ist auf dem College.«
    »Nur einen? Bei den drei Göttern, Sajjid! Ein Mann braucht viele Söhne!«
    Declan winkte den nächsten Patienten heran, einen jungen Fellachen. Er hob die Galabija hoch und deutete auf eine entzündete Wunde. Connor begann mit der Untersuchung, und Abu Hosni rief aus dem Kaffeehaus: »Sagen Sie, Sajjid, was soll eigentlich das ganze Gerede von Geburtenkontrolle? Ich verstehe das nicht.«
    »Die Welt ist überbevölkert, Abu Hosni«, antwortete Declan dem Kaffeehausbesitzer, der mit einer schmutzigen Schürze über der Galabija vor seiner Tür erschien. »Die Menschen müssen anfangen, ihre Familien zu verkleinern.« Als er den verständnislosen Blick des Mannes sah, fuhr er fort: »Sie und Ihre Frau, Sie haben doch fünf Kinder, nicht wahr?«
    »So ist es, Gott sei gepriesen.«
    »Und fünf Enkelkinder.«
    »Ja, damit sind wir gesegnet.«
    »Das sind zwölf Menschen, wo einmal nur zwei waren. Nehmen wir an, auf jedes Paar kommen zehn neue Menschen. Können Sie sich vorstellen, wie überfüllt die Welt bald sein wird?«
    Der Kaffeehausbesitzer wies mit dem Arm in Richtung Wüste. »Dort gibt es Platz genug, Sajjid«.
    »Aber das Land kann nicht einmal die Menschen ernähren, die jetzt hier leben. Was wird mit Ihren Enkelkindern geschehen? Wie werden sie in einer Welt leben, in der es mehr und mehr Menschen gibt?«
    »
Malesch,
Sajjid. Keine Sorge. Gott wird das schon machen.«
    Aber Hadji Tajeb, der an seiner Wasserpfeife sog, sagte finster: »Die Bezirks-Krankenschwester gibt unseren Mädchen Unterricht. Es ist gefährlich, wenn ein Mädchen zu klug ist.«
    Declan erwiderte: »Gib einem Mann Unterricht, und du bekommst einen klugen Menschen. Gib einer Frau Unterricht, und eine ganze Familie wird klug.« Er wandte sich wieder der Wunde des Fellachen zu und versuchte, seine Gereiztheit zu unterdrücken, denn er wußte, seine Worte waren in den Wind gesprochen. Er biß sich auf die Lippen und tröstete sich mit dem Gedanken, daß er in fünf Wochen nicht mehr hier sein würde. Gleichzeitig bemühte er sich, das Lachen zu überhören, das plötzlich von den Frauem am Brunnen herüberdrang.
    Er konnte nicht aufhören, an Amira zu denken.
    In den vergangenen sechs Wochen waren sie von Dorf zu Dorf gefahren und hatten Kinder geimpft. Das war keine leichte Aufgabe. Das Team, bestehend aus Connor und Amira,

Weitere Kostenlose Bücher