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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Khadija, von Tante Dahiba, von ihrer Cousine Doreja. Auch ihr Lachen wurde von Tag zu Tag freier und spontaner. Declan fiel auf, daß sie sogar zu flirten begann – mit dem alten Khalid und mit Nasr. Sie heiterte verdrießliche Frauen auf und spielte mit Kindern.
    Sie wird wieder eine Ägypterin, dachte er, während er zum Entsetzen seines Patienten eine Injektion vorbereitete. Sie ist wie eine Frau, die zu sich selbst zurückkehrt.
    Und doch, dachte er, während er sie über den Platz hinweg beobachtete, ist sie nicht nach Hause gegangen. Soweit er wußte, hatte Amira ihrer Familie in Kairo weder geschrieben, noch hatte sie telefoniert. Sie machte keine Pläne für einen Besuch. Wenn er an die Entschlossenheit dachte, die er vor fünfzehn Jahren an ihr bemerkt hatte, an ihre panische Angst, ausgewiesen und nach Ägypten zurückgeschickt zu werden, und wenn er sah, wie sie hier in den Dörfern wieder zum Leben erwachte, dann fragte er sich, was sie eigentlich bewog, all das zu tun. Was brachte sie dazu, diesen Menschen mit solcher Hingabe zu helfen und ihren eigenen Angehörigen den Rücken zu kehren?
     
    Amira schob die Enden des aprikosenfarbenen Seidenschals unter den Turban und warf einen Blick zu Connor vor dem Kaffeehaus hinüber.
    Er besaß immer noch Ähnlichkeit mit dem Mann, der auf dem Lastwagen das Mikrophon ergriffen und zu mehr Verantwortung und Engagement für eine bessere Zukunft aufgerufen hatte. Er lächelte noch immer so herausfordernd, daß ihr heute wie damals vor fünfzehn Jahren das Herz bis zum Hals klopfte. Aber sie wußte, im Innern war er ein anderer geworden – jemand, den sie kaum kannte.
    Amira wollte ihn fragen: Was hat Sie so verändert? Warum behaupten Sie plötzlich, daß Ihnen alles gleichgültig ist? Warum sagen Sie, Ihre Anstrengungen hier seien vergeblich?
    Wenn sie sah, wie er abends schweigend in einer Ecke saß, in die Dunkelheit starrte und eine Zigarette nach der anderen rauchte und mit zusammengekniffenen Augen in den Rauch blickte, als suche er darin irgendwelche Antworten, dann wollte sie zu ihm sagen: »Bitte gehen Sie nicht. Bleiben Sie hier.«
    Aber in fünf Wochen würde sie ihn verlieren.
    Sie wollte ihm nicht nur helfen, weil sie ihn liebte – sie wußte, diese Liebe war vor fünfzehn Jahren erwacht, als sie an einem regnerischen Nachmittag auf dem Weg zum Büro des Dekans die schicksalshafte Abkürzung durch den Verwaltungstrakt der Uniklinik genommen hatte.
    Amira war wegen Declan Connor nach Ägypten zurückgekommen, und dafür würde sie ihm ihr ganzes Leben dankbar sein. Denn es war ein Wunder geschehen.
    »Sagen Sie mir, Sajjida Doktorin«, fragte Um Tewfik, die ihr Baby stillte, »wirkt Ihre moderne Medizin wirklich?«
    Amira hörte gerade mit dem Stethoskop eine ältere Frau ab, die über Fieber und Schwächezustände klagte, und sie erwiderte: »Die moderne Medizin kann wirken, Um Tewfik, aber das hängt vom Patienten ab. Eines Tages kam ein Mann namens Achmed mit einem schweren Husten zu mir. Ich gab ihm eine Flasche Medizin und sagte ihm, er solle jeden Tag einen großen Löffel davon nehmen. Er sagte: ›Jawohl, Sajjida‹ und ging nach Hause. Als er eine Woche später wiederkam, war der Husten schlimmer geworden. ›Haben Sie die Medizin genommen, Achmed?‹ fragte ich. ›Nein, Sajjida‹, sagte er. ›Warum nicht?‹ fragte ich. ›Ich bin mit dem Löffel nicht in die Flasche hineingekommen.‹«
    Die Frauen lachten und waren alle der Meinung, daß die Männer ohne Frauen so hilflos wie kleine Kinder seien. Amira lachte mit ihnen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie sich zum letzten Mal so glücklich oder so lebendig gefühlt hatte. Und das war das Wunder.
    Amira untersuchte einen nässenden Ausschlag am Arm der älteren Frau und dachte dabei an ihre erste Zeit in England. Es lag über zwanzig Jahre zurück, daß sie dorthin gefahren war, um ihr Erbe anzutreten. Sie hatte Lady Penelope, die Schwester des alten Earl und ihre einzige Verwandte aus der Familie Westfall, getroffen. Sie war im kleinen Haus der alten Dame freundlich aufgenommen worden, und beim Tee hatte Penelope Westfall gesagt: »Deine Mutter hat ihre Liebe zum Vorderen Orient von ihrer Mutter, deiner Großmutter, Lady Frances, geerbt. Frances und ich waren eng befreundet. Ich glaube, sie muß mich hundertmal ins Kino geschleppt zu haben, um ›Der Scheich‹ zu sehen. Und ausgerechnet
sie
mußte mit meinem langweiligen, phantasielosen und völlig unromantischen Bruder

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