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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Abtreibungsmittel, über Mittel, die den Tod oder das Leben brachten. Worum es an diesem bescheidenen Dorfbrunnen auch ging, hier wurde die Zukunft des Volkes bestimmt, während die Männer die Stühle im Kaffeehaus wärmten, Witze erzählten und sagten:
    »Warum soll man sich Sorgen machen? Du hast eine Mißernte?
Malesch,
macht nichts. Es gibt immer
Bukra,
ein Morgen, wenn Gott will,
inschallah.
«
    Declan beobachtete, wie Amira mit Unterstützung der kichernden Frauen noch einmal versuchte, sich den Turban selbst um die blonden Haare zu binden. Zuerst legte sie ein Dreieck aus aprikosenfarbener Seide auf den Kopf, rollte die Enden zusammen, wand sie um den Kopf und schob sie im Nacken unter den Stoff. Wenn sie die Arme hob, konnte er unter dem Kaftan die Umrisse ihres Körpers sehen, die schmalen Hüften und die festen Brüste. Verlangen schoß wie ein brennender Pfeil durch seinen Körper.
    Das erinnerte ihn an die vielen Abende, die sie während der Arbeit an der Übersetzung des Handbuches gemeinsam in seinem Büro verbracht hatten. Damals waren sie fünfzehn Jahre jünger gewesen. Amira kam ihm, trotz ihres Studiums und obwohl sie um die halbe Welt gereist war, noch so unschuldig wie ein Mädchen vor. Er selbst war noch idealistisch und davon überzeugt gewesen, es sei möglich, die Welt zu retten.
    Er dachte an ihre erste Begegnung. Amira war an einem regnerischen Märztag in sein Büro gekommen. Ihr Aussehen hatte ihn beeindruckt, er fand sie exotisch, noch bevor sie ihm sagte, daß sie Ägypterin sei. Sie besaß eine gewisse Schüchternheit, aber auch Selbstbewußtsein. Hinter der Fassade der Scheu, die die meisten arabischen Frauen schon früh im Leben kultivierten, ahnte Connor eine außergewöhnliche Entschlossenheit. Und als sie in den folgenden Tagen das medizinische Handbuch ins Arabische übersetzten, als sie in seinem kleinen Büro arbeiteten, sich gegenseitig zum Lachen brachten und auch ernste Augenblicke erlebten, spürte Connor einen Bruch in Amira, als kämpften zwei Seelen darum, in einem Körper Platz zu finden.
    Amira sprach über Ägypten, manchmal sogar über ihre Vergangenheit, aber wenn er versuchte, etwas über ihre Familie zu erfahren, versank sie in Schweigen. Connor sah die Liebe zu Ägypten und seiner Kultur in ihren Augen leuchten, ganz besonders als sie das Zusatzkapitel über die Achtung vor den Sitten und Bräuchen der Einheimischen schrieb. Trotzdem schien sie ihre eigenen Bindungen an dieses Land und seine Menschen leugnen zu wollen. Es war beinahe, als wisse sie nicht, wohin sie gehörte, und Declan mußte an ein Buch denken, das damals unter den Studenten auf dem Campus sehr beliebt war: FREMDE IN EINEM FREMDEN LAND . Das war sie damals, eine Fremde, dachte er, aber jetzt ist sie wieder zu Hause.
    Nachdem die Arbeit beendet und das Manuskript nach London geschickt worden war, erkannte Declan, daß er kaum etwas über die junge Frau wußte, in die er sich zu seiner Überraschung verliebt hatte. In den folgenden Jahren erfuhr er durch ihre sporadische Korrespondenz kaum mehr. Amiras Briefe enthielten Neuigkeiten vom Studium, später von ihrem Praktikum in einer Kinderklinik und schließlich von der Arbeit in einer Praxis, aber persönliche Dinge blieben ausgeklammert. Deshalb war ihm Amira bei ihrer Ankunft in Al Tafla immer noch ein großes Rätsel gewesen.
    In den vergangenen sechs Wochen war jedoch etwas Seltsames geschehen.
    Das Team war in die umliegenden Dörfer gefahren, und da sich die Fellachenfrauen in ihrem Verhalten alle glichen, hatten sie Amira, so wie sie es bei jeder neuen Frau im Dorf taten, sofort gefragt: »Sind Sie verheiratet? Haben Sie Kinder? Haben Sie Söhne?« Diese Dinge bestimmten Hierarchie und Protokoll. Anfangs war Amira eher zurückhaltend mit Auskünften; nur zögernd zeigte sie Photos ihres Sohnes und sprach über ihre beiden Ehemänner, von denen einer sie geschlagen und der andere sie nach einer Fehlgeburt verlassen hatte. Sie erzählte ein wenig von einem großen Haus in Kairo, in dem sie aufgewachsen war, von den Schulen, die sie besucht, und von den Berühmtheiten, die ihr Vater gekannt hatte.
    Aber das war am Anfang gewesen. Nach den ersten zwei Wochen stellte Connor fest, daß sie sich auf eine seltsame und subtile Weise öffnete. Es war, als gehe jemand durch ein Haus und öffne ein Fenster nach dem anderen, damit Luft und Sonnenlicht hineindrangen. Jetzt erwähnte sie Namen und erzählte Geschichten. Sie sprach von ihrer Urgroßmutter

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