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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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seine Kunden bedienen, während ihr Mann in Hadschi Farids Kaffeehaus saß und Backgammon spielte, Sarah würde auch seinen Haushalt versorgen müssen, für ihn kochen und seine Wäsche waschen.
    Sie wußte auch, warum ihr Vater dieser Heirat zugestimmt hatte. Er hatte wegen Nazirahs Hochzeit große Schulden gemacht. Sarahs Eltern gehörten jetzt zu den ärmsten Familien im Dorf. Und deshalb würde es am Geburtstag des Propheten für sie kein neues Kleid geben.
    Sie streckte sich müde und rieb sich die kalten Finger. Es wurde langsam hell, und die Luft war noch sehr kalt. Sarah dachte an ihre Schwester, der sie öfter auf dem Marktplatz begegnete. Zu Sarahs Überraschung schien Nazirah glücklich, ja sogar außer sich vor Freude, als sie den Frauen den Hochzeitsschmuck zeigte, den sie von ihrem Mann bekommen hatte. Das ganze Dorf war der Ansicht, daß Nazirah eine gute Partie gemacht hatte, besonders als sie die Hochzeitsgeschenke der Brauteltern bestaunten – richtige Möbel. In Nazirahs Haus standen jetzt ein Doppelbett und eine Truhe, und auf dem Lehmboden lag ein Teppich. Er war natürlich nicht neu, sondern gekauft worden, als die verwitwete Naeema starb. Aber da nur wenige Familien Möbel besaßen, wurde Nazirah von ihren Freundinnen beneidet.
    Nicht nur die neuen Sachen und der neue Reichtum schienen Nazirah froh zu machen. Ihre Schwester schien jetzt stolz und zuversichtlich zu sein. Die Frauen im Dorf behandelten sie anders. Sarah begriff, es lag daran, daß Nazirah eine verheiratete Frau war. Das verlieh ihr eine besondere Stellung. Bald würden ihre Kinder diese noch untermauern, und wenn sie einen Sohn bekam, dann war ihre Achtbarkeit im Dorf unantastbar. Aber Sarah hätte Nazirah gern gefragt: Liebst du Aziz?
    Als sie den kleinen Stall verließ, blickte sie auf die grünen Felder, die der morgendliche Dunst verschleierte. Die Sonne ging über den flachen Dächern der Lehmhütten auf, und das Wasser im Kanal schimmerte so, als leuchte es aus der Tiefe. Im Dorf wurde es lebendig. Der Rauch der Kochfeuer stieg auf, und es roch nach heißem Brot und gekochten Bohnen. Dann rief der Muezzin durch den Lautsprecher der Moschee zum Gebet: »Beten ist besser als schlafen!«
    Aber Sarah hielt nach Abdu Ausschau. Sie mußte ihn heute unbedingt noch einmal sehen. Wo mochte er nur sein?
    Sie sah eine Gestalt am Kanal. Es war ein Mann. Er war groß und hatte breite Schultern. Um seine Füße lag träge der Nebel. Abdu! Sie rannte ihm entgegen, aber als sie sah, daß er seine gute Galabija anhatte und ein Bündel trug, geriet sie in Panik.
    Er betrachtete sie stumm mit seinen nilgrünen Augen und sagte dann: »Ich verlasse das Dorf, Sarah. Ich habe mich entschlossen, der Bruderschaft beizutreten. Da ich dich nicht haben kann, will ich keine andere Frau. Aber ich weihe mein Leben der Aufgabe, unser Land Gott und dem Islam zurückzubringen. Heirate Scheich Hamid, Sarah. Er ist alt und wird bald sterben. Dann erbst du den Laden und das Radio. Alle im Dorf werden dich achten und dich Scheika nennen.«
    Ihr Kinn zitterte. »Wohin willst du gehen?«
    »Nach Kairo. Dort ist ein Mann, der mir helfen wird. Ich habe kein Geld, deshalb werde ich zu Fuß gehen. Aber ich habe etwas zu essen … genug Käse, Brot und gesalzenen Fisch.«
    »Ich gebe dir den Schal«, sagte sie mit erstickter Stimme. Das Geschenk des Fremden würde ihm viel Geld einbringen, wenn er den Schal verkaufte. Sarah trug ihn unter ihrem Kleid. Sie hatte ihn versteckt, aus Angst, daß ihr Vater ihn verkaufen würde. »Dafür wirst du Geld bekommen.«
    Aber Abdu sagte: »Behalte ihn, Sarah. Trage ihn auf deiner Hochzeit.«
    Sie begann zu weinen, und er nahm sie in die Arme.
    »Verlaß mich nicht, Abdu! Ohne dich werde ich sterben …«
    Er löste sich von ihr, als sie zu zittern begann, und sah sie ernst an.
    »Denk an unsere Liebe, Sarah, und sei dem Scheich eine gute Frau. Du mußt uns beiden Ehre machen.« Dann drehte er sich um und ging nach Norden.
    Er war erst wenige Schritte gegangen, als Sarah ihm nachrief: »Abdu, meine Seele begleitet dich. Du nimmst meinen Geist, meinen Atem und meine Tränen mit dir. Scheich Hamid wird nichts als einen leblosen Körper haben.«
    Er drehte sich um. Er rannte auf sie zu, und Sarah sank in seine Arme. Ein Regenpfeiferpaar, das im Schilf nistete, flog auf.
    Abdu nahm Sarah das Kopftuch ab, und als ihre Haare herabfielen, verschlug es ihnen beiden den Atem. Er zog sie an sich. Plötzlich durchströmte ihn eine solche

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