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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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aus Ibrahims Ankleidezimmer trugen, dachte sie alarmiert: Wir fahren nach Alexandria!
    Sie hatte Ali Raschid davon überzeugen können, daß es ein zu großer Aufwand war, jeden Sommer mit den Frauen nach Alexandria zu ziehen, um der Hitze in Kairo zu entfliehen. Würde Ibrahim jetzt andere Wünsche haben, und würde sie sich ihm fügen müssen?
    Khadija erschrak beim Anblick ihres Sohns. Er hatte sich in den vergangenen zwei Wochen erstaunlich verändert, war erschreckend abgemagert und hatte eingefallene Wangen. Sie nahm sich vor, ihm zum Abendessen hartgekochte Eier und gefüllte Fleischbällchen zu machen, die er besonders mochte.
    Er kam ihr entgegen und begrüßte sie auf arabisch mit den Worten: »Ich habe beschlossen, eine Weile zu verreisen, Mutter.«
    »Zu verreisen? Aber wohin? Und warum?«
    »Ich kann in diesem Haus nicht mehr leben, das voller Erinnerungen an Fatheja ist. Ich bin so unglücklich.«
    »Wird dir eine Reise helfen?« fragte sie. »Verzweiflung läßt uns an Freude denken, mein Sohn. Die Zeit kann Berge versetzen. Glaubst du nicht, daß sie auch deine Trauer überwinden wird?«
    »Aber ich träume von Fatheja, als sei sie noch am Leben!«
    »Hör mir gut zu, mein geliebter Sohn. Denk an die Worte von Abu Bakr nach Mohammeds Tod, Friede sei mit ihm, als die Menschen verzweifelten. Abu Bakr sagte: ›Für jene von euch, die Mohammed verehrt haben, ist er tot. Für jene von euch, die Gott verehren, lebt der Prophet und wird niemals sterben.‹ Vertraue auf Gott, mein Sohn. ER ist klug und hat Erbarmen mit uns.«
    »Ich muß eine Zeitlang von hier weg«, erwiderte Ibrahim, »der König hat mich beurlaubt.«
    »Aber wohin willst du reisen?«
    »An die französische Riviera. Hassan hat Freunde in Monaco. Wir werden bei ihnen wohnen.«
    Khadija glaubte, ihr werde ein Messer ins Herz gestoßen. Hassan! Ibrahim ahnte nicht, wie sehr sie seinen Freund ablehnte. Sie mußte sich auf die Lippen beißen, um nicht zu sagen: »Mach diese Reise nicht mit Hassan.« Sie wollte ihren über alles geliebten Sohn in die Arme nehmen, ihn an sich drücken und ihm seinen Kummer nehmen. Sie wollte ihn überreden, zu bleiben und nicht vor seinen inneren Qualen davonzulaufen, denn das würde ihm nicht helfen, sondern ihn noch mehr von sich selbst entfernen. Statt dessen fragte sie: »Wie lange wirst du weg sein?«
    »Ich weiß es nicht. Ich muß Ruhe haben und mein Leben wieder in Ordnung bringen. Ich habe das Gefühl, alles steht auf dem Kopf.«
    »Also gut.
Inschallah.
Es ist Gottes Wille. Aber wenn sich der Körper auch nur einen Zentimeter entfernt, scheint es für das Herz ein Kilometer zu sein. Gottes Friede und SEINE Liebe mögen dich begleiten.«
    Sie küßte ihn auf die Stirn – das war der Segen der Mutter.
     
    Khadija ging verunsichert und von bösen Vorahnungen erfüllt zur anderen Seite zurück. Verlor sie die Fähigkeit, für ihre Kinder zu sorgen? Nefissa benahm sich seltsam und jetzt Ibrahim – ihr Sohn lief einfach auf und davon. Sie mußte auch an ihre verlorene Tochter denken, an Fatima. Sollte sie ihre beiden anderen Kinder auch noch verlieren? Ibrahim war ihr Sohn und ihr ganzer Stolz. Er war Arzt, gehörte zum Hof des Königs und war ein einflußreicher Mann geworden, aber in seinem Kummer so hilflos. Nefissa, die Jüngste und im Grunde ihr Liebling, sehnte sich nach dem europäischen Leben, sehnte sich nach allem, was ihr verboten war. Khadija hatte die Aufgabe, ihre Kinder zu schützen und die Familie zusammenzuhalten. Aber wie?
Wie
?
    Die Dienstboten hatten das Tor geschlossen, denn es war inzwischen vier Uhr nachmittags. Um diese Zeit war Khadijas Teestunde immer zu Ende, denn sie wollte das
’asr salah,
das Nachmittagsgebet, nicht auslassen. Als sie ihre Gemächer betrat, ging sie sofort ins Bad und verrichtete die rituellen Waschungen vor dem Gebet. Dann begab sie sich in das Schlafzimmer, in dem Fatheja bei der Geburt von Jasmina gestorben war, breitete ihren Gebetsteppich aus, stellte die Schuhe beiseite und richtete das Gesicht nach Mekka. Als sie den Ruf der Muezzin von den vielen Minaretten Kairos hörte, schob Khadija alle irdischen und materiellen Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf Gott. Sie legte die Hände rechts und links neben das Gesicht und sprach:
»Allahu akbar«
, Gott ist groß.
    Dann rezitierte sie die Fatiha, die erste Sure im Koran: »Im Namen Gottes, des Barmherzigen und Gnädigen …« Danach verneigte sich Khadija, richtete sich auf, kniete nieder und

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