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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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einer kleinen Welt, in der es niemanden außer ihnen gab. Nefissa nahm alle Einzelheiten von ihm in sich auf. Das war ihr unwirklicher Liebhaber unter der Straßenlaterne, der sie Nacht für Nacht in ihren Träumen besucht hatte. Sie blickten sich an, ihr Duft mischte sich, sein Aftershave mit ihren Rosen und Veilchen. In einem seiner blauen Augen sah sie einen dunklen Fleck. So viele Fragen brannten ihr auf der Seele.
    Schließlich sagte er mit einer sehr viel angenehmeren Stimme, als sie sich das hätte vorstellen können: »Ich kann es nicht glauben, daß ich wirklich hier bin, hier bei dir. Ich dachte immer, daß du meiner Phantasie entsprungen bist.« Er schwieg. »Ich kann leider kein Arabisch. Sprichst du Englisch?«
    »Ja«, antwortete Nefissa.
    Ihr Herz schien zu zerspringen, als er nach ihrem Schleier griff. Er zögerte, und als sie ihn nicht daran hinderte, nahm er den Schleier weg und sagte: »Mein Gott, wie schön du bist!«
    Nefissa fühlte sich nackt, als habe er sie völlig entkleidet. Aber sie schämte sich nicht, sie war auch nicht verlegen. In ihr brannte nur ein ungestilltes Verlangen. Sie wollte ihm soviel sagen, und dann hörte sie zu ihrem Entsetzen, wie sie atemlos hervorstieß: »Ich war verheiratet. Ich bin Witwe. Ich habe zwei Kinder.« Vielleicht war es das beste, es ihm gleich zu sagen, dachte sie dann. Soll er mich hier auf der Stelle zurückweisen, bevor alles noch weitergeht.
    Er lächelte und erwiderte: »Ich weiß. Man hat mir gesagt, daß die Kinder so hübsch sind wie die Mutter.«
    Sie brachte vor Aufregung kein Wort mehr über die Lippen.
    »Ich wohne nicht weit von dir entfernt«, sagte er, und seine Stimme verzauberte sie. Er sprach ein gepflegtes Englisch, »in der übernächsten Straße in der britischen Residenz. Ich bin auf der Zitadelle stationiert. Aber man hat mich in der letzten Zeit an den unterschiedlichsten Stellen eingesetzt. Ich habe schon befürchtet, daß du genug von mir hast und mich vergessen würdest.«
    Nefissa wurde ganz benommen, sie glaubte zu träumen, alles war so unwirklich. Dann hörte sie sich sagen: »Und ich dachte, du würdest das Land für immer verlassen.« Sie staunte, wie ungezwungen sie mit ihm reden konnte. »Dieser schreckliche Zwischenfall mit den Studenten, die vor den britischen Kasernen demonstriert haben. So viele wurden getötet und verletzt. Ich hatte Angst um dich, und ich habe für dich gebetet.«
    »Leider wird die Lage sich nicht verbessern. Deshalb bin ich heute nicht in Uniform. Aber ich mußte dich sehen, denn ich soll für eine besondere Ausbildung ein halbes Jahr nach England zurück.« Als sie erschrocken zusammenzuckte, sagte er beruhigend: »Ich verspreche dir, ich komme zurück. Ich muß immer an dich denken. Und jetzt bist du so dicht bei mir …«
    »Der Chauffeur wird gleich wieder da sein.«
    »Ich möchte dich nicht in Schwierigkeiten bringen. Aber vielleicht kannst du bis zu meiner Rückkehr arrangieren, daß wir uns irgendwo ungestört treffen können … damit wir uns einmal aussprechen können«, fügte er schnell hinzu, »zum Tee oder Kaffee …«
    »Ich werde es versuchen …«, murmelte sie, »Prinzessin Faiza ist meine Freundin. Sie wird uns helfen.«
    »Darf ich dir etwas schenken? Ich bin jetzt schon eine Weile in Kairo stationiert, aber ich kenne eure Sitten kaum. Ich wage nicht, dir etwas so Persönliches wie Schmuck oder Parfüm zu geben. Ich möchte dich nicht beleidigen. Aber du sollst mich auch nicht vergessen, wenn ich in London bin. Deshalb hoffe ich, daß dir das gefällt. Es hat meiner Mutter gehört …«
    Er gab ihr ein Taschentuch aus feinem Leinen mit Spitze und blau bestickt. Nefissa drückte es an die Lippen. Es war noch warm von seiner Tasche.
    »Es ist schwer für mich«, sagte er leise, »jetzt bin ich dir so nahe und doch … Ich weiß nicht, was ich sagen soll, was ich sagen darf. Du sitzt immer hinter dem vergitterten Fenster, und der Schleier verhüllt dein Gesicht. Ich möchte dich berühren … ich möchte dich küssen …«
    »Ja …«, hauchte sie, »vielleicht wird uns die Prinzessin helfen. Vielleicht werde ich in der Zwischenzeit einen Platz finden, wo wir allein sein können. Wenn du wieder da bist, lasse ich dir eine Nachricht zukommen … durch die Bettlerin, die regelmäßig zum Tor kommt.«
    Sie sahen sich lange in die Augen. Er berührte ihre Wange und sagte: »Bis auf ein Wiedersehen, meine Nefissa«, und stieg aus. Er verschwand in der Menge, und erst dann

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