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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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»Sagen Sie mir endlich, was das bedeuten soll! Warum löscht niemand das Feuer?« Aber der Fahrer gab ihm keine Antwort.
    Und dann verschlug es Edward die Sprache. Er murmelte nur noch: »Oh, mein Gott! Das ist ja nicht zu fassen!«
    Am Ende der Allee stand wieder ein Haus in Flammen. Junge Männer warfen durch die eingeschlagenen Fensterscheiben Fackeln auf englische Möbel, um das Feuer richtig in Gang zu bringen. »Mein Gott«, murmelte Edward, während der Taxifahrer vorsichtig an der Menge vorbeifuhr, »das sieht wirklich nicht gut aus.«
     
    Als das Taxi die Straße entlangraste und um die nächste Ecke verschwand, hob der Anführer der Menge die Faust und rief: »Tod den Ungläubigen!« Die vielen hundert seiner Mitkämpfer wiederholten zornig den Ruf.
    In der ersten Reihe stand ein junger Mann, dessen Augen vor Erregung funkelten. Er spürte die Macht Gottes in seinem Blut. Für diesen Tag hatte Abdu beinahe sieben Jahre gearbeitet. Er hatte sein Dorf verlassen, um Ägypten Gottes Gerechtigkeit und die reine Lehre des Islam zu bringen. Er wünschte sich nur, Sarah könnte seinen Triumph miterleben – die fröhliche kleine Sarah mit dem runden Gesicht. Er liebte sie noch immer. Vermutlich war sie verheiratet, vielleicht sogar Witwe, denn Scheich Hamid war bei der Hochzeit schon alt gewesen. Abdu stellte sich vor, wie Sarah im Dorfladen von Hamids Kunden ehrerbietig begrüßt wurde. Wie viele Kinder mochte Sarah haben?
    Seit dem Tag, als Abdu das Dorf verlassen und am grasbewachsenen Ufer des Kanals mit Sarah geschlafen hatte, quälten ihn Schuldgefühle. Er hatte sie entjungfert, und bei der Hochzeit konnte kein Blut als Beweis für ihre Unberührtheit fließen. Aber wenn Abdu an die Begierde in den Augen des alten Scheichs dachte und an den hohen Brautpreis, den er der Familie bezahlen wollte, dann gehörte Hamid zu den Männern, die zu einer List griffen, um die Frau zu bekommen, die sie haben wollten. Wenn er sich in den Finger stach, bevor er das Taschentuch darum wickelte, dann war alles in Ordnung. Dieser Trick war so alt wie der Nil.
    Als Abdu in Kairo eintraf und die Adresse ausfindig machte, die man ihm gegeben hatte, fand er diese Stadt einfach überwältigend – Kairo galt als die Mutter aller Städte. Abdu ließ sich mitreißen von der Leidenschaft und Entschlossenheit der Bruderschaft und vergaß alles andere. Seine Reue verschwand, und Sarah wurde zu einer süßen Erinnerung.
    Sein Dasein vor den sieben Jahren schien inzwischen nur noch ein blasser Traum. Manchmal dachte er an den jungen Mann, der auf den Feldern arbeitete oder in Hadschi Farids Café Backgammon spielte oder Gedichte für Sarah machte. Abdu wußte nicht mehr so recht, wer dieser junge Mann einmal gewesen war, denn der Abdu von heute war ein anderer. Sein Leben begann an dem Abend seiner Ankunft in Kairo, denn damals schien er Gottes Wort zum ersten Mal zu hören. Der gebrechliche Dorf-Imam hatte mit seinen wöchentlichen Predigten alle nur zum Einschlafen gebracht. Er besaß nichts von der göttlichen Inspiration der Führer der Bruderschaft. Auch sie predigten aus dem Koran, übermittelten den Gläubigen dieselbe heilige Botschaft, aber die Brüder sprachen die Verse so, daß Abdu nicht nur Worte zu hören glaubte. Er fühlte sie, schmeckte sie. Sie waren seiner hungrigen Seele Nahrung wie Brot und Fleisch. Jetzt lag alles klar und leuchtend vor ihm wie eine schmale gerade Straße, die ihn ans Ziel führte: Sie würden Ägypten vor dem Abgrund bewahren und sich Gott und SEINER Barmherzigkeit anvertrauen.
    Der Führer gebot der Menge Einhalt. Er kletterte auf den Pfahl einer Straßenlampe und begann eine leidenschaftliche Rede. »Wir werden der Welt zeigen, daß Ägypten nicht mehr bereit ist, unter einer imperialistischen Herrschaft zu leiden!« rief er. »Wir werden die Engländer aus dem Land treiben und in ihre Gräber!«
    Die jungen Männer johlten und schwangen die selbstgemachten Waffen. »
La illaha illa allah
!« riefen sie, und Abdu stimmte ebenso laut wie alle anderen ein. »Es gibt keinen Gott außer Gott!« Und als der Führer rief: »Auf zum Turf Club!«, ergoß sich die Menge wie eine Flutwelle in die nächste Seitenstraße. Abdu marschierte stolz an der Spitze. Seine grünen Augen leuchteten im Überschwang des Siegs der Gerechtigkeit.
     
    Der Oberbefehlshaber der britischen Armee, ein mit vielen Orden ausgezeichneter Offizier, stand auf, hob sein Glas und sagte: »Gentlemen, auf den Thronerben!«
    Als die

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