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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sechshundert Gäste an den langen Tafeln des Banketts auf das Wohl des Kronprinzen tranken, beugte sich Hassan vor und flüsterte: »In Wirklichkeit trinken wir auf den königlichen Strip-Poker«, und Ibrahim hätte sich vor Lachen beinahe verschluckt.
    Sie nahmen an dem Bankett im Abdin Palast teil, mit dem die Geburt von Farouks Sohn gefeiert wurde. Als Ehrengäste waren in einer ausgewogenen Mischung ausländische Würdenträger, hohe Offiziere der ägyptischen und britischen Armee und Regierungsbeamte geladen. Sie saßen unter funkelnden Kronleuchtern und genossen das erlesene Menü mit zahllosen Haupt- und Zwischengängen. Nach den Fischgerichten würde Butterspargel folgen, kalte Gurkencremesuppe, Ente mit Orangenscheiben und dazu Himbeersorbet, gebratene Gazelle und flambierte Kirschen. Serviert wurden die Speisen in goldenem Geschirr. Man trank importierte Weine, erlesenen Cognac und zur Anregung sehr süßen türkischen Kaffee. Trotz der liebenswürdigen Gespräche und des höflichen Lachens ließ sich jedoch eine gewisse Beklemmung an den Tischen nicht verbergen. Manchmal klang das Lachen gezwungen, einige sprachen zu laut und waren alles andere als heiter und gelöst. Araber und Engländer lächelten zuvorkommend, aber die Heiterkeit wirkte eher diplomatisch, und die Gefühle waren weniger aufrichtig freundschaftlich. Alle wußten, daß man Seiner Majestät geraten hatte, in Anbetracht der Unruhen in der Stadt nach dem Massaker in Ismailia die Feier heute zu verschieben. Aber Farouk wollte nichts davon wissen. Er versicherte seinen Ratgebern, daß nur die Briten etwas zu fürchten hätten,
er
nicht. Der König war noch nie so glücklich gewesen. Als Königin Farida keinen Sohn bekam, verstieß sie Farouk, indem er in Anwesenheit von Zeugen dreimal erklärte: »Ich verstoße dich.« Danach hatte er eine sechzehnjährige Jungfrau geheiratet und sie mit einem Luxus verwöhnt, der in allen Einzelheiten in den Klatschspalten der Zeitschriften auf der ganzen Welt beschrieben wurde. An jedem Tag seiner Brautwerbung und während der Flitterwochen überraschte er Narriman mit einem Geschenk – eine Halskette mit Rubinen an einem Tag, am nächsten Pralinen aus der Schweiz, ihre Lieblingsorchideen oder ein Kätzchen. Dafür hatte sie nun Farouk den ersten Sohn geschenkt, und weder ein Massaker noch Gerüchte eines Aufstands sollten die Feiern heute beeinträchtigen.
    Ibrahim saß nur wenige Plätze von Farouk entfernt, um sofort zur Stelle zu sein, falls der königliche Magen mit Unpäßlichkeit auf das üppige Mahl reagieren sollte. Noch vor sechzehn Jahren war Farouk ein gutaussehender schlanker Mann gewesen, aber inzwischen brachte er es auf über neunzig Kilo. Er aß mit einer Gier, die seine Freunde verblüffte. Er ließ sich jedes Gericht dreimal servieren und hatte bereits zehn Gläser Champagner mit Orangensaft getrunken.
    Hassan sah, wie der König gerade noch eine Portion gegrillten Schwertfisch mit Minzbutter verschlang, und beugte sich zu Ibrahim. »Ich frage mich allen Ernstes, wie er und Narriman es schaffen, ich meine im Bett. Sein Bauch ragt doch weiter vor als sein …«
    »He«, unterbrach ihn Ibrahim, »hast du das gehört?«
    »Was?«
    »Es klang wie eine Explosion …«
    Hassan blickte sich in dem riesigen Bankettsaal um, wo sich sechshundert Männer orientalischen Gaumengenüssen hingaben, die zu dem Luxus und dem prunkvollen Lebensstil gehörten, der in letzter Zeit immer lauter kritisiert wurde. Durch die hohen Fenster mit den schweren Brokatvorhängen fiel das sanfte Winterlicht auf die riesigen Marmorsäulen, die mit Samt bespannten Wände und auf die in Gold gerahmten Gemälde. Keiner der anderen Gäste schien etwas Ungewöhnliches gehört zu haben, und Hassan sagte: »Das ist wohl ein Feuerwerk zu Ehren des Prinzen.«
    »Natürlich, ein Feuerwerk …«
    Hassan runzelte die Stirn und dachte nach. »Glaubst du, diese Ismailia-Sache wird Folgen haben?« Er konnte sich noch gut an die Kette der alarmierenden Ereignisse vor vier Jahren nach der demütigenden Niederlage Ägyptens im Palästinakrieg erinnern. Zuerst wurde ein Befehlshaber der Polizei ermordet, dann der Gouverneur der Provinz Kairo, und schließlich erschoß man den Premierminister auf dem Weg ins Innenministerium. Überall fanden Demonstrationen und gewalttätige Übergriffe statt. Es wurde gestreikt, um den Abzug der Engländer aus Ägypten zu erzwingen. Noch im vergangenen Jahr gab es Tote bei einer Demonstration vor der

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