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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gelangweilt an. »Das sagen alle.«
    »Hör zu«, Ibrahim zwang sich, die Ruhe nicht zu verlieren, »ihr habt den Falschen verhaftet. Wen immer ihr sucht, ich bin es nicht. Ich habe nichts getan, und ich gehöre bestimmt nicht in diese Zelle.« Er deutete schwach auf die Gefangenen. »Bitte, sag deinem Vorgesetzten, daß ich ihn sprechen möchte.«
    Der Wärter lachte höhnisch und ging langsam davon.
    »Ein unverschämter Kerl …«, murmelte Ibrahim.
    Als er sich die Zelle etwas genauer ansah, stellte er zu seiner Verlegenheit fest, daß er urinierern mußte. Er konnte sich vorstellen, wie Hassan in dieser Situation sagen würde: »Sehr peinlich«, und Ibrahim mußte gegen seinen Willen lächeln. Er tröstete sich bei dem Gedanken, daß er und Hassan sich eines Tages an das hier erinnern und lachen würden, denn er zweifelte nicht daran, daß sein bester Freund in diesem Augenblick alles für seine Freilassung tat.
    Aber so lange konnte er nicht warten, um seine Blase zu entleeren.
    Der dicke bärtige Gefangene trat zu ihm. »Gottes Friede sei mit dir, mein Freund«, sagte er, »ich bin Mahzouz.«
    Ibrahim blickte auf die armselige Galabija, sah die fehlenden Zähne und das narbige Gesicht. Der Mann wirkte nicht sehr vertrauenerweckend. »Mahzouz« bedeutete auf arabisch »Glück«.
    Der Mann lächelte. »Mein Name stammt aus besseren Zeiten.«
    »Warum bist du hier?« fragte Ibrahim ohne wirkliches Interesse, aber der Mann wußte vielleicht, wie man mit dem Wärter reden konnte.
    Mahzouz hob resigniert die Schultern. »Ich bin so unschuldig wie du.«
    Ibrahim musterte ihn mißtrauisch. »Ach, dann sind wohl alle hier unschuldig?«
    »Bei Gott, das sind sie.«
    »Das glaube ich gern«, murmelte Ibrahim auf englisch, schob die Manschetten zurück und wischte den Staub von der Anzugjacke. Er stellte fest, daß auch seine Krawatte fehlte, und verstand nicht, daß jemand so etwas stehlen sollte.
    »Weißt du vielleicht, wie man eine Nachricht an dem unverschämten Wärter vorbei nach draußen schickt? Ich kann unmöglich hier bleiben.« Seine Blase ließ sich kaum noch unter Kontrolle halten.
    Mahzouz hob wieder die Schulter. »Gott wird den Augenblick deiner Entlassung bestimmen, mein Freund. Dein Schicksal liegt allein in der Hand des Allmächtigen.«
    Ibrahim hatte zwar noch Kopfschmerzen, aber er konnte wieder denken. Er versuchte, seine Lage in dieser mörderischen Zelle einzuschätzen, und wußte, der beste Platz war in der Nähe der Tür, denn bestimmt würde der Wärter bald mit einem Verantwortlichen zurückkommen. Leider schienen die meisten Männer die Tür für den besten Platz zu halten und hockten oder standen davor. Deshalb bahnte er sich resigniert einen Weg zur Rückwand und wich dabei, so gut es ging, den Händen und Füßen seiner Mitgefangenen aus. Dann lehnte er sich an die Mauer und behielt die Tür im Auge. Als er einen Blick auf die Uhr werfen wollte, fiel ihm ein, daß man ihm die Armbanduhr weggenommen hatte. Angeekelt sah er, daß seine manikürten Fingernägel schwarze Ränder hatten. Als er Ausschau nach etwas hielt, womit er sie reinigen konnte, hörte er an der Tür das Klirren von Schlüsseln. Endlich!
    Aber noch ehe er einen Schritt in Richtung Zelleneingang machen konnte, sprangen die Gefangenen zu seinem Entsetzen alle auf und drängten sich wie Wilde um die Tür. Einer schrie schmerzerfüllt auf, als man ihn gegen die Gitterstäbe drückte. Ältere und Schwächere wurden rücksichtslos zur Seite geschoben. Ibrahim blieb wie erstarrt stehen und sah fassungslos zu, wie die Männer nach Brot griffen, das man in die Zelle brachte. Jeder erhielt einen Fladen, mit dem er gekochte Bohnen aus einem großen Kessel schöpfte.
    Das wilde Durcheinander dauerte nicht lange. Die Wärter verließen die Zelle bald wieder, während die Männer gierig wie hungrige Tiere das Brot und die Bohnen verschlangen. Mahzouz kam langsam durch den Raum. Er aß seine Portion beinahe übertrieben genußvoll. Als er vor Ibrahim stand, sah er Maden in den Bohnen, und er würgte wieder.
    »Mein lieber Freund«, sagte Mahzouz mit vollem Mund, »du hättest dir auch etwas nehmen sollen. Es dauert lange, bis wir die nächste Mahlzeit bekommen.«
    »Ich werde nicht mehr lange hier sein. Ich werde keine Stunde mehr hier sein.«
    »Wirklich? Beim Barte des Propheten, du bist wirklich ein Optimist.« Er leckte sich die Finger ab und rülpste. Ibrahim drehte den Kopf zur Seite. »Ich dachte auch,
ich
wäre in einer Stunde

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