Das Parsifal-Mosaik
jemandem gespielt hat.« »Ich höre ihr Lachen im Schlaf ... wenn ich nicht ihre Schreie höre. Sie lachte gerne; es war für sie eine Erleichterung, etwas, das ihr normalerweise nicht erlaubt war und sie um so mehr genoß, wenn es geschah.« Er hielt inne, seine Augen waren wieder auf den Brunnen fixiert. »Wie hat sie das Geld gestohlen? Wo?« »In Mailand.«
»Mailand wimmelt von Sowjets. Wen sie auch getroffen haben mag, es muß ein Zufall gewesen sein ... Entschuldigen Sie, was ist dort geschehen?«
»Sie arbeitete in dem riesigen Buch- und Zeitschriftenladen an der Piazza del Duomo. Kennen Sie das Geschäft?« »Ich bin schon daran vorbeigelaufen.«
»Sie bekam die Stelle wegen ihrer Sprachkenntnisse. Sie hat sich das Haar gefärbt und sich eine Brille zugelegt. Aber mit ihrer Figur machte sie ihren Chef ganz verrückt. Der widerliche Kerl lud sie immer wieder in sein Büro ein und betatschte sie und machte ihr eindeutige Angebote. Eines Tages, gegen Mittag, kam der Russe in ihren Laden; sie erkannte ihn und wußte, daß sie fliehen mußte. Sie hatte Angst, daß er mit Ihnen in Verbindung stünde, daß Sie dort nach ihr suchen könnten. In der Mittagspause hat sie den Geschäftsinhaber in seinem Büro buchstäblich attackiert und behauptet, sie könne nicht länger warten, mit ihm zu schlafen. Allerdings würde ihr ein kleines Darlehen den Entschluß, bis zum Letzten zu gehen, wesentlich erleichtern. Als es so weit gekommen war, hatte sie bereits ihre Bluse ausgezogen und die Brieftasche des Mannes unter einem Sessel versteckt. Einem Schlaganfall nahe, sperrte der Idiot seinen Safe auf, in dem der Kasseneingang von ein paar Tagen lagerte. Als unser schwitzender geiler Bock den Safe geöffnet hatte und Jenna den Büstenhalter ablegte, blätterte er ihr mit zitternden Händen ein paar tausend Lire hin. Da schlug sie ihm eine Schreibtischlampe über den Schädel und räumte den Safe leer, überrascht von den hohen Beträgen.« »Jetzt verstehe ich«, sagte Michael und nickte mit dem Kopf.
»Die nächste Stunde benutzte sie dazu, ihre Sachen einzusammeln und sich die Farbe aus dem Haar zu waschen. Schließlich wußte sie daß über kurz oder lang bei der Polizei eine Anzeige eingehen würde. Dann mischte sie sich am Bahnhof von Mailand unter die Menschen dort.«
»Am Bahnhof?« Michael lehnte sich auf der Bank zurück und sah Regine an. »Der Zug! Sie nahm den Zug nach Rom! Und dort habe ich sie am Bahnsteig gesehen!«
»Diesen Augenblick wird sie nie vergessen. Sie standen da und starrten sie an. Für Jenna waren Sie der Mann, der sie dazu gezwungen hatte, unterzutauchen, zu fliehen, der sie veranlaßt hatte, ihr Aussehen zu ändern. Der Mensch, den sie am meisten fürchtete, hatte sie aufgespürt und erkannt.«
»Wenn der Schock mich nicht so gelähmt hätte, wenn ich schneller reagiert hätte, wäre vieles völlig anders gelaufen.« Michael legte den Kopf in den Nacken und bedeckte sein Gesic ht mit den Händen. »O Gott, so nahe waren wir! Ich habe ihr zugerufen, geschrien, aber sie verschwand. Ich habe sie in der Menge verloren; sie hat mich nicht gehört - sie wollte mich nicht hören.« Havelock nahm die Hände vom Gesicht und beugte sich vor. »Und dann kam Civitavecchia. Hat sie Ihnen davon erzählt?«
»Ja. Dort hat sie gesehen, wie ein verrücktes Tier sie auf einem Pier zu töten versuchte ... «
»Das war doch gar nicht sie! Wie konnte sie glauben, daß ich das dachte? Herrgott, es war eine abgewrackte Hafenhure!« Michael riß sich zusammen, es war sinnlos, die Kontrolle über sich zu verlieren. »Sie hat gesehen, was sie sah«, sagte die alte Frau leise. »Sie konnte nicht ahnen, was Sie dachten.«
»Woher wußte sie denn, daß ich nach Civitavecchia fahren würde? Dort sagte mir ein Mann, sie hätte gedacht, ich würde die Taxifahrer befragen. Das habe ich nicht.«
»Vergessen Sie nicht, daß Sie selbst ihr beigebracht haben, wie man ein Land am besten ungesehen verläßt: nämlich in den frühen Morgenstunden per Schiff. Es gibt immer jemanden, der einem einen Platz auf einem Frachter verschafft. Sie hat Leute im Zug gefragt und sich als Frau eines polnischen Matrosen ausgegeben, der auf einem Frachter Dienst macht. Die Leute sind nicht dumm, sie begriffen; wieder ein Ehepaar, das in den Westen geflohen war. Versuchen sie es in Civitavecchia, rieten sie ihr. Sie nahm an, Sie würden vielleicht zu demselben Schluß kommen, und so traf sie die nötigen Vorkehrungen. Sie hatte recht; Sie
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