Das Parsifal-Mosaik
leugnen?«
»Nein. Teilweise ist es falsch - das ist der schlimmste Teil -, aber man wird es als Wahrheit akzeptieren ... zumindest werden die Generäle mit den Ordensstreifen es akzeptieren.« Der Russe schwieg eine Weile und erwiderte schließlich mit leiser Stimme: »Sie müssen die anderen sprechen, die viel höher stehen, viel klüger sind. Wir haben hier beim Umgang mit solchen Dingen eine Faustregel. Man muß sich an einflußreiche Männer in der Partei wenden, die zwischen fünfzig und siebzig sind und die >Operation Barbarossa< und Stalingrad überlebt haben. Diese Leute haben in der Regel ein gutes Gedächtnis; sie würden Ihnen vielleicht helfen. Ich fürchte, ich kann es nicht.«
»Sie haben mir bereits geholfen. Wir wissen jetzt, worauf wir in der Botschaft und im Konsulat achten müssen. Man wird Sie zum Verhör hierherbringen, das ist Ihnen klar?«
»Natürlich ... Havelock, ve rhindern Sie die Lieferung nach Moskau. Sie kennen die Voennaja nicht.«
»Ich fürchte, ich kenne sie«, sagte Michael, »und ich habe Angst«, fügte er hinzu und legte auf.
Die nächsten drei Stunden gab es keinen Schlaf für ihn. Mit Kaffee, Aspirin und kalten Kompressen hielt er sich wach und betäubte den bohrenden Schmerz in seinem Kopf. Jede Abteilung, die Informationen über die sowjetische Botschaft oder das Konsulat in New York hatte, wurde kontaktiert und erhielt die Anweisung, alles zu liefern, was »Steril Fünf« verlangte. Die Flugpläne der Aeroflot, der LOT Airlines und sämtlicher anderer Linien des Ostblocks wurden studiert und ihre Passagierlisten nach Namen von Diplomaten abgesucht. An beiden Gebäuden in Washington und New York wurden zusätzliche Kameras angebracht, und jede Person, die das Areal verließ, wurde überwacht, wobei die entsprechenden Einheiten Anweisungen hatten, ihre Beobachtungsobjekte auch auf die Gefahr der eigenen Entdeckung nicht aus den Augen zu lassen. Alles war darauf abgestimmt, Kontakte zu verhindern, die Lieferung nach Moskau zu unterbinden, und nichts konnte dies wirksamer herbeiführen als ein VKR-Agent, der wußte, daß er den Flüchtling ans Messer liefern würde, wenn er ein Treffen einhielt, oder Pierce, der erkannte, daß man ihn fangen könnte, wenn er ein solches Treffen arrangierte. Entlang der mexikanischen Grenze flogen Dutzende von Hubschraubern, verfolgten Privatmaschinen, prüften jeden Funkspruch. Vor den Küsten von Florida, Georgia und Carolina jagten Düsenjäger im Tiefflug über das Wasser.
Es war Viertel vor vier, als Havelock wieder erschöpft auf die Couch sank. »Bis jetzt steht noch alles«, sagte er, »es sei denn, wir haben irgend etwas übersehen. Ich muß mir die Namen noch einmal ansehen. Parsifal steht auf der Liste, und ich muß ihn finden. Berquist sagt, wir haben nur noch diese Nacht Zeit, er kann das Risiko nicht mehr eingehen. Die Welt kann das Risiko nicht eingehen.« »Aber Pierce hat den Saferaum doch nie betreten«, entgegnete Jenna. »Er hat die Verträge nie gesehen.«
»Sie sind aber in allen Einzelheiten in der psychiatrischen Akte über Matthias enthalten ... in ihrem ganzen Wahnsinn. In mancher Hinsicht ist das sogar noch schlimmer. Ein Mann, den die Ärzte für geisteskrank erklären, verantwortet die Außenpolitik des mächtigsten Landes der Erde. Berquist hat gesagt, daß wir Aussätzige sein werden, wenn wir überhaupt überleben.«
Das Telefon klingelte, Michael vergrub sein Gesicht in das Kissen. »Ja, vielen Dank«, sagte Jenna, die abgehoben hatte. »Was ist?« fragte Havelock und schlug die Augen wieder auf. »Das CIA hat fünf weitere Fotografien ausfindig gemacht. Jetzt fehlt nur noch eine, und sie sind ganz sicher, daß der Betreffende tot ist. Andere können natürlich auch tot sein.« »Fotografien? Wovon, von wem?« »Die verdienstvollen Männer auf meiner Liste.« »Oh?« Michael drehte sich herum. »Verdienstvolle Männer«, flüsterte er. »Warum?«
»Du mußt jetzt schlafen, Mikhail. So nützt du weder dir noch sonst jemandem.« Jenna trat an die Couch und kniete neben ihm nieder. Sie drückte ihre Lippen sachte gegen seine Wangen.
Jenna Karras saß am Schreibtisch, und jedesmal, wenn das Telefon zu klingeln begann, stürzte sie sich förmlich darauf, wie eine blonde Katze, die ihre Jungen vor fremdem Zugriff beschützt. Die Anrufe kamen vo n überall, Berichte von Männern, die Befehle ausführten, deren Sinn sie nicht begriffen. Bis jetzt stand die Verteidigungsmauer noch, die sie vor dem Chaos
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