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Das Parsifal-Mosaik

Titel: Das Parsifal-Mosaik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Lügnerin!«
    Nebel, die nicht vom Meer herkamen, erfüllten seinen Geist. Er war jenseits aller Vernunft; er wußte nur, daß seine Hände zu Klauen geworden waren, dann zu Fäusten ... Klauen, die kratzten, Fäuste, die hämmerten ... Ich muß die Ratte töten, sie hat mich getäuscht. Töten, töten!
    Schreie, Rufe, Befehle erfüllten die Leere geistloser Unendlichkeit.
    Da war kein Anfang, kein Ende, nur wild tobender Wahnsinn, ein Wirbel, der ihn hinunterzog.
    Und dann spürte er Schläge, aber den Schmerz fühlte er nicht Männer waren rings um ihn, schließlich über ihm, Fäuste und schwere Stiefel trafen ihn. Immer wieder. Überall.
    Und dann kam die Finsternis, der Wahnsinn war zu Ende. Da war nur Schwärze. Und Stille.
    Über dem Pier, im zweiten Stock des Lagerhausbüros, stand eine Gestalt am Fenster und blickte auf die Szene der Gewalt hinunter. Sie atmete tief und hielt die Finger an den Lippen. In ihren klaren braunen Augen wallten Tränen auf. Geistesabwesend nahm Jenna Karras die Hand vom Gesicht und drückte sie gegen die Schläfe, gegen das lange blo nde Haar, das unter ihrem breitkrempigen Hut herabfiel.
    »Warum hast du es getan, Mikhail?« flüsterte sie halblaut und nur für sich bestimmt. »Warum willst du mich töten?«

6
    Als er die Augen aufschlug, nahm er den Übelkeit erregenden Geruch von billigem Whisky wahr und spürte die Feuchtigkeit an Hals und Brust; sein Hemd, sein Jackett und seine Hose waren mit billigem Fusel getränkt. Vor ihm lagen graue und schwarze Schatten, unterbrochen von winzigen Lichtflecken, die in der Dunkelheit flimmerten. Ein dumpfer Schmerz durchzog seinen Körper, sein Kopf fühlte sich geschwollen und taub an, und sein Gesicht war bedeckt mit blutenden Schnittwunden. Man hatte ihn brutal zusammengeschlagen und an das Ende des Piers geschleppt, hinter das Lagerhaus, wenn sein verschwommener Orientierungssinn auch nur annähernd richtig war.
    Langsam hob er die rechte Hand an sein linkes Handgelenk; seine Uhr war noch da. Er streckte die Beine und griff in die Tasche; auch sein Geld war unangetastet. Man hatte ihn nicht beraubt, wohl weil er mit zu vielen Männern gesprochen hatte und andere ihn in jenen Gesprächen beobachtet hatten. Sie waren sein Schutz gewesen.
    Mord war Mord, und ganz gleich, wie der Besitzer des >Il Tritone< das sah, ein Raubüberfall führte zu lästigen Ermittlungen, besonders wenn ein wohlhabender Ausländer das Opfer war. Niemand war interessiert, daß an den Piers zu viele Fragen gestellt wurden; kühle Köpfe hatten befohlen, ihn nicht umzubringen und ihm das Geld und die Uhr zu lassen. Die Falle war professionell insze niert gewesen: Ein neugieriger, wohlhabender Ausländer hatte plötzlich durchgedreht und eine blonde Hure am Pier attackiert. Dann waren andere Männer ihr zu Hilfe geeilt.
    Er wälzte sich auf die linke Seite; das Meer im Südosten war ein feuriger Streifen unterhalb des Horizonts. Der Morgen graute; die Cristobal war eine von einem Dutzend kleiner Silhouetten auf dem Wasser. Blinkende Lichter markierten ihre Position. Langsam richtete Havelock sich auf, drückte seine Knie gegen die nassen Planken unter sich und stemmte sich mühsam mit den Händen hoch. Als er auf den Füßen stand, drehte er vorsichtig seinen Oberkörper, streckte seine Beine, bog den Nacken, den Rücken. Er hatte Schmerzen, jedoch nichts war gebrochen, aber in seiner Beweglichkeit fühlte er sich ziemlich behindert.
    Der Wachmann. War er vielleicht an der Aktion beteiligt gewesen? Hatte man ihm befohlen, dem Ausländer zuerst feindselig gegenüberzutreten und dann auf Beflissenheit umzuschalten, um ihn so in die Falle zu locken? Es war eine wirksame Strategie; er hätte sie durchschauen müssen. Keiner von den zwei anderen Wachposten war so schwierig gewesen, jeder war sofort bereit gewesen, ihm alles, was er wissen wollte, zu sagen. Der Mann am Tor des Piers, an dem die Teresa lag, war sogar so weit gegangen, ihn über die Verzögerung im Zeitplan des Frachters zu informieren. Und welche Rolle spielten der Besitzer des >Il Tritone< und der Matrose von der Cristobal, der ihm in der engen, finsteren Gasse aufgelauert hatte? Hatte nicht das Zusammentreffen logisch aufeinanderfolgender Ereignisse ihn zu jenen Männern geführt, die auf ihn gewartet hatten? Aber wie konnten sie gewartet haben? Vor vier Stunden war Civitavecchia für ihn nicht mehr als ein Name auf einer Landkarte gewesen, ohne jegliche Bedeutung. Und doch war eben das geschehen; das

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