Das Parsifal-Mosaik
verstrichen zu schnell, die vereinbarte Zeitspanne war schon zur Hälfte vorüber. Allmählich mußte der Killer, den Washington geschickt hatte, unruhig werden. Wenn er die Laube verließ, würde er merken, daß seine Posten nicht mehr da waren, daß er die Kontrolle über die La ge verloren hatte; und dann würde er fliehen. Dazu durfte es nicht kommen! »Trifoglio, trifoglio!« raunte Michael, als der Italiener auftauchte, und warf ein paar Steine, die er vom Boden aufgehoben hatte, über die Marmorbrüstung nach rechts zum gegenüberliegenden Ende der kreisförmigen Vertiefung.
Der Mann fing zu rennen an, als er das Codewort hörte. Havelock schob sich nach links, duckte sich auf der dritten Stufe nieder, die Hand an einer Zaunsprosse, mit den Füßen dauernd die Festigkeit des Gesteins prüfend; es mußte ihn tragen.
Das tat es. Er schnellte empor, als der Italiener die Marmorbrüstung erreichte, und erschreckte den Mann dabei so, daß der Killer einen Augenblick lang wie gelähmt war. Michael warf sich nach vorne und schlug dem Italiener die Llama ins Gesicht, zerschmetterte dabei Kiefer und Zähne. Blut schoß aus dem Mund und besudelte sein gestreiftes Hemd und die Tweedjacke. Der Mann brach zusammen; Havelock packte ihn, drehte ihn herum und warf ihn über den Rand des idyllischen Bades eines schon lange zu Staub gewordenen Kaisers. Der Italiener stürzte in die Tiefe; unten lag er reglos da, unter sich die bewußtlose Frau. Sein blutiger Kopf ruhte auf ihrem Bauch. Auch er würde eine Geschichte zu erzählen haben, dachte Michael. Es war wichtig, daß die Strategen in Washington sie hörten, denn wenn er nicht in den nächsten paar Minuten das erfuhr, was er erfahren mußte, dann würde der Palatin nur der Anfang sein. Havelock schob die Llama in die Innentasche seines Jacketts und verspürte dabei den Druck der schweren Magnum unter seinem Gürtel. Er würde beide Waffen behalten; die Llama war klein und leicht zu verbergen, während die Magnum mit dem festmontierten Schalldämpfer nützlich sein würde, wenn er lautlos arbeiten mußte. Während ihn diese Gedanken beschäftigten, überkam ihn das Gefühl tiefer Enttäuschung. Noch vor vierundzwanzig Stunden hatte er sich nicht vorstellen können, in seinem neuen Leben je wieder eine Pistole in der Hand zu halten oder bei sich zu tragen. In Wahrheit verabscheute er Waffen, für ihn symbolisierten sie Furcht und Haß. Er hatte gelernt, sie zu beherrschen ... um weiterzuleben, um andere Waffen zum Schweigen zu bringen -die Gewehre aus seiner Kindheit. Die frühen Tage, die schrecklichen Tage; in gewisser Weise hatte sich sein ganzes Leben um sie gedreht, das Leben, von dem er geglaubt hatte, es endlich abgeschlossen zu haben. Man mußte diesen Abschaum der Menschheit ausrotten und den Lebenden das Leben gewähren ... die Killer von Lidice vernichten. Er hatte jenes Leben verlassen, aber sie gab es immer noch - in anderer Form. Und jetzt war auch er wieder zurückgekehrt. Er knöpfte sein Jackett zu und näherte sich dem Eingang der Laube, wo der Mann wartete, der ihn töten wollte.
Instinktiv suchten seine Augen den Boden ab, und seine Füße mieden jeden Zweig, der unter seinem Tritt hätte zerbrechen und damit sein Kommen ankündigen können. Er erreichte die Mauer und bewegte sich lautlos an ihr entlang bis zur Öffnung. Vorsichtig zog er die Schlinggewächse vor seinem Gesicht weg und sah hinein. Ogilvie stand am anderen Ende des Plattenwegs, an dem Podest mit der Büste Domitians. Er rauchte eine Zigarette und betrachtete die Hügel zu seiner Rechten, denselben Hügel - die Stelle mit dem dichten Gebüsch -, hinter dem Michael sich vor neunzehn Minuten versteckt hatte. Havelock bemerkte, daß Ogilvie sein zerknittertes, schlecht sitzendes Jackett zugeknöpft hatte. Es war kühl, aber nicht so kühl, daß man sich den schnellen Zugang zu einer Waffe versperren mußte. Dann musterte Michael das Gesicht des Apatschen; die Veränderung war erschreckend. Das Gesicht war bleich, blasser, als Havelock es je gesehen hatte. Die Furchen, die auch früher schon dagewesen waren, hatten sich jetzt tiefer in die Haut eingegraben, so wie die Risse in dem verblaßten Marmor der alten Säulen. Man brauchte kein Arzt zu sein, um zu wissen, daß Ogilvie ein kranker Mann war, und es bedurfte auch keiner medizinischen Diagnose, um zu erkennen, daß diese Krankheit bedrohlich war. Wenn er noch viel Kraft besaß, dann war sie ebenso verborgen wie die Waffe, die er bei sich
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