Das Parsifal-Mosaik
seetüchtiger Vergnügungsboote unter sich hatte, mit dem Ziel, die Aktivitäten der sowjetischen Kriegsmarine in diesem Sektor zu beobachten. Salanne hatte ihn für Geld an einen KGB-Informanten verraten. Michael hatte das Verhalten des Arztes nicht begreifen können, bis er schließlich das wahre Motiv erfuhr. Der umgängliche, wenn auch etwas zynische Arzt in mittleren Jahren war ein leidenschaftlicher Spieler. Dies war der Hauptgrund, weshalb er vor Jahren als brillanter junger Chirurg vom L'Hôpital de Paris wegging und eine Praxis in Monte Carlo eröffnete. Je häufiger er das Casino besuchte, desto höher wurden seine Spielverluste.
Da trat der Amerikaner auf den Plan, der sich als Mitglied des Jet-set mit eigener Yacht ausgab und das Geld der Steuerzahler an den Spieltischen verplemperte. Er war ein Schürzenjäger mit einer Vorliebe für junge Mädchen. Eines der Mädchen, das er in sein gastliches Bett zog, war Salannes Tochter Claudie, ein leicht zu beeindruckender Teenager. Sie erlitt schwere Depressionen, als aus der Beziehung nichts weiter wurde.
Die Sowjets standen bereit, um die Verluste des Arztes zu begleichen und einen Feindagenten von der Szene zu entfernen. In dieser Phase war Havelock in Erscheinung getreten und dem Verräter auf die Spur gekommen. Er hatte sich Henri Salanne vorgeknöpft, ehe die Boote identifiziert wurden. Er berichtete nie, was er in Erfahrung gebracht hatte; der Arzt begriff rasch die Bedingung, von der seine »Begnadigung« abhing: nie wieder ins Casino! Und damit ging er gleichzeitig auch eine Verpflichtung ein.
In Cagnes-sur-Mer fand Michael eine Telefonzelle an einer verlassenen Straßenecke. Mit einiger Schwierigkeit zwängte er sich aus dem Wagen; er fror und blutete immer noch. In der Zelle holte er die Llama aus dem Halfter, zerschlug die Deckenlampe und musterte angestrengt die Wählscheibe in der Finsternis. Nach einer Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, gab ihm die Auskunft von Antibes Salannes Nummer.
»Votre fille Claudie, comment va-telle?« fragte er leise. Schweigen. Schließlich antwortete der Arzt auf englisch. »Ich habe mich schon gefragt, ob ich von Ihnen hören würde. Wenn Sie es wirklich sind, hat man mir gesagt, daß Sie verletzt sein könnten.« »Das bin ich.« »Wie schwer?«
»Ich brauche einen Verband, und eine Wunde muß genäht werden. Das ist alles, denke ich.«
»Hoffentlich haben Sie recht. Ein Krankenhaus wäre im Augenblick nicht opportun. Ich vermute, daß sämtliche Notaufnahmen in der ganzen Gegend überwacht werden.«
Michael war plötzlich beunruhigt. »Wie steht es mit Ihnen?« »Nun, wir werden schon einen Weg finden, um unauffällig in meine Praxis zu gelangen. Aber es könnte ein Problem geben.
Man sagt, Sie fahren einen dunkelgrauen Lancia.« »Das ist richtig.«
»Sehen Sie zu, daß Sie ihn loswerden.«
»Ich weiß nicht, wie weit ich zu Fuß gehen kann«, sagte er zu dem Arzt.
»Haben Sie Blut verloren?« »Genug, um es zu spüren.« »Merde! Wo sind Sie jetzt?« Havelock sagte es ihm.
»Ich glaube, ich kenne die Ecke. Ist auf der anderen Straßenseite eine bijouterie!«
Michael spähte durch die Glaswand der Zelle. »Meinen Sie den Laden >Ariale et Fils«
»Richtig. Ein paar Geschäfte weiter ist eine Seitengasse, die zu einem kleinen Parkplatz führt. Ich sehe zu, daß ich so schnell wie möglich dort bin. Es dauert höchstens zwanzig Minuten. Kriechen Sie unter ein Auto, und legen Sie sich flach auf den Rücken. Und wenn Sie mich kommen sehen, zünden Sie ein Streichholz an. So wenig Bewegung wie möglich, verstanden?« »Verstanden.«
Havelock lag auf dem Rücken, die Streichhölzer in der Hand, und starrte auf die mit schwarzer Wagenschmiere bedeckte Unterseite eines Peugeot, der ganz hinten an der Mauer des Parkplatzes stand. Er bemühte sich wachzubleiben, indem er seinen Geist beschäftigte: Angenommen, der Besitzer des Wagens kehrte mit einem Begleiter zurück, überlegte er - was würde er dann tun? Zwei Lichtbalken streckten sich in die Einfahrt des Parkplatzes und rissen ihn aus seinen Gedanken. Die Scheinwerfer wurden drei Meter hinter dem unbesetzten Wärterhäuschen abgeschaltet; Havelock kroch unter dem Peugeot hervor und riß ein Streichholz an. Sekunden später war der Arzt bei ihm, Minuten darauf fuhren sie auf der Straße nach Antibes in südlicher Richtung. Michael lag auf dem Rücksitz, die Beine ausgestreckt, so daß man ihn nicht sehen konnte.
»Wenn Sie sich erinnern«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher