Das Patent
welchen Plänen er Kopien brauchte. Er hatte die Anwerbung weiterer Kräfte auf sich genommen und Tom Tibbald zum Mitmachen überredet, der sich um die leichteren Innenaufgaben kümmern sollte. Außerdem hatte Doe auch das wahre Potenzial gesehen, das alles übertraf, was Barksdale sich je erträumt hatte. Anfangs war es nur ums Geld gegangen. Doch dann hatte sich die Sache zu etwas Größerem entwickelt. John Doe hatte ihm gezeigt, dass man den Trick, mit dem Sarah Boatwright dazu gebracht werden sollte, die Notstandsvorschriften anzuwenden und den AAS-Geldtransporter abzubestellen, auch dazu nutzen konnte, das »Patent« zu erbeuten - jene Technologie, die mehr wert war als das Bargeld.
Alles sollte sehr schnell und ohne große Mühen über die Bühne gehen. Und außerdem ohne Gewalt.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Barksdales einziger Vorbehalt mit dem Plan nicht das Geringste zu tun gehabt: Er betraf vielmehr Sarah Boatwright, die Frau, der er verübelte, dass sie ihm die Stelle als Betriebsleiter weggenommen hatte. Er hatte nie eingeplant, sie zu mögen. Er wusste nicht mal genau, wie es dazu gekommen war. Sie war nämlich gar nicht sein Typ - sie war so selbstbewusst, so amerikanisch. Er hatte sich nicht mal besondere Mühe gemacht, ihr zu gefallen. Er hatte sich nur so gegeben, wie er eben war. Komischerweise hatte es genügt. Es war eigenartig: Je weiter sich seine Pläne mit dem Park entwickelt hatten, desto enger war ihr Verhältnis geworden. Hätte eins von beiden - seine Sarah betreffenden Gefühle oder sein Plan, sich zu bereichern - schon vorab existiert, wäre es zum anderen vermutlich nie gekommen. Doch so hatten sich die Widersprüche gehäuft.
Immer wenn er entschlossen gewesen war, das Unternehmen abzublasen, hatte John Doe mit ihm diskutiert, ihn beschwatzt und daran erinnert, wie tief er schon drinsteckte.
Er hatte ihm den Trugschluss seiner Befürchtungen verdeutlicht. Barksdale hatte jedes Mal erkannt, dass der Mann Recht hatte. Wenn alles vorbei war, bestand vielleicht die Möglichkeit, mit Sarah Verbindung aufzunehmen und sich ihr zu erklären. Vielleicht, hatte er sich eingeredet, konnte er sie sogar überreden, zu ihm zu kommen. Madeira war ein wunderschönes Fleckchen, ein grünes Paradies in einem azurblauen Meer und.
Nun jedoch wurden seine Gedankengänge sehr schmerzhaft.
Barksdale schüttelte den Kopf. Wieder ging er auf und ab.
An Georgia Warnes Bett hätte er sich Sarah beinahe offenbart. Er hätte sie fast um Verzeihung und darum gebeten, mit ihm zu verschwinden. Doch nun in der kahlen Zelle begriff er, dass er einer Selbsttäuschung aufgesessen war. Sarah würde ihm diesen Betrug niemals vergeben. Er hatte nicht nur sie betrogen, sondern - und das machte die Sache wohl noch schlimmer - auch ihren Park. Er konnte nur hoffen, dass sie ihr Glück anderswo fand; vielleicht sogar, trotz ihres abschlägigen Bescheids, an Andrew Warnes Seite.
Er dachte an das, was sie über John Doe gesagt hatte: dass er so aufgetreten war, als schaue er in ihre Seele; dass er genau das gesagt hatte, was sie hatte hören wollen. Ihm war es ebenso ergangen. Doe hatte sich wie der aus gutem Hause stammende Brite gezeigt, der er selbst insgeheim gern gewesen wäre. Does Referenzen waren makellos. Er hatte Barksdale gesellschaftlich und intellektuell wie einen Ebenbürtigen behandelt. Doch wie überrascht war Barksdale gewesen, als er schließlich erfahren hatte, dass John Does chamäleonartiges Gehabe so aufgesetzt war, wie sich seine Referenzen als echt herausstellten.
Es hatte weitere Überraschungen gegeben: den verletzten Jungen auf der »Notting-Hill-Hatz«. Es hatte nicht passieren dürfen. John Doe hatte zerknirscht getan und versprochen, ein solcher Fehler werde nicht mehr passieren. Doch die allergrößte Überraschung hatte er heute erlebt, als Andrew Warne eine Woche zu früh auf der Szenerie erschienen war.
Natürlich hatte man von Warnes Besuch gewusst. Es gehörte zum Plan, dass er früher oder später eintraf, um die Fehler im Metanet zu korrigieren. Barksdale hatte die Idee gehabt, John Does Team in der Maske einer KIS-
Putzkolonne hier auftreten zu lassen, damit sie ihre schräge Software ins Utopia-Netz einspeisen konnte. John Doe war auf den listigen Einfall gekommen, Cracker Jack als Hacker einzusetzen: Er hatte sich an der Firewall Utopias zu schaffen gemacht und einen halbherzigen Versuch unternommen, sie zu durchbrechen. Der Angriff war natürlich erfolglos gewesen, hatte aber das
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