Das Patent
hab ich programmiert.
Das war ich ...« Sie schaute Warne entsetzt an.
Warne bemerkte jedoch nichts. Seine Gedanken waren woanders.
13:47 Uhr
Sarah Boatwright wartete. In der Amtsleitung war kein Ton zu hören. Keine Artefakte, kein Rauschen, nichts.
Dann endlich meldete sich Chuck Emorys gewichtige Stimme. »Sprengstoff?«
»Richtig, Mr. Emory.«
»Wissen Sie es genau?«
»Der Klotz liegt vor mir auf dem Schreibtisch.«
»Wie bitte?«
»Bob Allocco hat ihn gefunden. Er hat allerdings keinen Zünder. Er wurde dort abgelegt, um uns eine Botschaft zu übermitteln.«
»Eine schöne Botschaft. Und Sie wissen genau, dass es kein Scherz ist?«
»Laut Allocco ist die Sache diesmal ernst. Die Sache mit dem Laserroboter und der Unfall auf der >Notting-Hill- Hatz< waren eindeutig auch keine Scherze.«
Es wurde wieder still. Während Sarah wartete, empfand sie zwiespältige Gefühle, weil sie Emory in die Sache eingeweiht hatte. Doch dann wurde ihr wieder bewusst, dass sie nichts in die Wege leiten konnte, ohne zuvor mit ihm zu sprechen.
Eric Nightingale war das schöpferische Genie hinter Utopia gewesen. Charles Emory III. war der Mann, der Nightingales Ideen aufgenommen und ihnen Leben eingehaucht hatte.
Nach dem Tod des Bühnenzauberers war Emory schnell vom Chefbuchhalter zum Geschäftsführer der Utopia Holding aufgestiegen. Er hatte es geschafft, die stillen Teilhaber und Spekulanten in der Endphase der Planung und beim Bau des Parks zusammenzuhalten. Viele Menschen glaubten, er habe den Park und die Steuerung seiner Entwicklung trotz des unerwarteten Todes von Nightingale gerettet. Andere - Utopia-Puristen und Menschen wie Andrew Warne, die Nightingales ursprüngliche Vorstellungen fasziniert hatten - behaupteten, Emory habe Nightingales Traum versilbert und mit Kommerz besudelt. Emory hatte den Park mit Achterbahnen, Andenkenständen und Merchandisingläden überzogen. Den größten Widerspruch hatten seine Spielkasinos hervorgerufen. Nightingale hatte in Boardwalk nur eine kleine Markthalle geplant, wo die Gäste sich mit Büffelkopfgroschen an Glücksspielen der Jahrhundertwende beteiligen konnten. Emory hatte das idyllische Glücksspielhaus durch vier gigantische Kasinos ersetzt, in denen es um echtes Geld ging.
Sarah respektierte Emorys Geschäftssinn. Sie wusste, dass die Eintrittspreise nur die Hälfte der laufenden Betriebskosten deckten. Der Rest kam aus den Restaurants, aus Andenken, Verpachtungen und nicht zuletzt den Spielkasinos - geschäftlichen Realitäten, die Nightingale nie hatte akzeptieren können. Man musste Emory zugestehen, dass er neue Trends wie die Holografietechnik erkannt und schnell gewinnträchtig verwertet hatte. Es war auch typisch für ihn, die Geschäfte aus der Ferne zu führen und die alltäglichen Unternehmungen den kreativen Geistern und dem Verwaltungspersonal zu überlassen. In Sachen Krisenbewältigung war er jedoch nicht ganz so gut. In der jüngeren Vergangenheit hatte es zwar nur eine Krise gegeben - einen unbegründeten Salmonellenalarm in Camelot -, doch Emorys Zaudern in einer Situation, die promptes Handeln verlangte, war Sarah unbehaglich stark in Erinnerung geblieben.
Heute durfte es weder Unentschlossenheit noch Zaudern geben. Je länger sie darüber nachdachte, desto überzeugter wurde sie, dass sie sofort etwas tun mussten.
»Wissen Sie, wie viele Leute in die Sache verwickelt sind?«, fragte Emory.
»Nein. Wenn ich nach dem äußeren Anschein urteile, scheint mir das Unternehmen gut geplant zu sein. Außerdem hätte man es ohne Hilfe von innen nicht durchführen können.«
»Großer Gott. Wissen wir, wer mit drinsteckt?«
»Noch nicht. Aber der Insider arbeitet höchstwahrscheinlich im Sicherheitsbereich oder in der Systemverwaltung.«
Emory schwieg. »Was sind das für Leute?«, fragte er dann.
»Fanatiker? Irgendwelche Kultanhänger?«
»Das glaube ich nicht. Ich habe mich gerade per Funk mit ihrem Sprecher unterhalten. Er hat mir mitgeteilt, was sie haben wollen.«
»Und was wollen sie haben?«
»Das >Patent<, Mr. Emory.«
Erneutes Schweigen in der Leitung. Dann hörte Sarah, wie Emory lange und langsam ausatmete. Jedenfalls glaubte sie es zu hören.
»Das >Patent<«, wiederholte Emory.
»Ja. Dazu den gesamten Quellcode, die Bilddatenbanken und alles, was sonst noch dazugehört.«
Wieder Schweigen.
»Wir können alles auf eine nicht kopierbare DVD brennen«, fuhr Sarah fort. »Aber zum Entschüsseln der Kernroutinen brauchen wir
Weitere Kostenlose Bücher