Das Patent
mehr gibt, liegt hinter uns. Wir haben uns festgelegt. Wir haben schon zu viel erreicht, als dass Sie jetzt noch schwanken könnten.
Vergessen Sie nicht: Ein Wort ins richtige Ohr würde genügen, um Sie zu entlarven und für den Rest Ihres Lebens mit Figuren zusammenzusperren, die dringend einer... nun ja... amüsanten Gesellschaft bedürfen. Aber so weit braucht es natürlich nicht zu kommen. Meinen Gefährten fiele gewiss eine schnellere und permanentere Möglichkeit ein, die ausdrückt, wie unzufrieden sie mit Ihnen sind.«
So schnell er gekommen war, verschwand sein bedrohlich wirkender Tonfall wieder. »Aber dazu wird es natürlich nicht kommen. Ihre Hauptarbeit ist längst getan. Jetzt besteht Ihre Aufgabe darin, nichts zu tun. Ist es nicht eine erfreuliche Ironie?«
Er schaltete das Mobiltelefon aus und legte es neben sich auf den Tisch. Dann griff er in eine Tasche seines Jacketts, entnahm ihr ein Funkgerät, gab einen Code ein und wählte eine Frequenz. »Hardball, hier ist Prime Factor«, sagte er. »Botschaft um 13.45 Uhr übermittelt. Übernahme wie geplant um 14.15 Uhr. Allerdings habe ich gerade von einem kleinen Problem erfahren: Heute ist ein Bursche im Park anwesend, ein gewisser Andrew Warne. Er hat wohl das Utopia-Metanet konstruiert. Man hat ihn geholt, um es zu reparieren.
Er sollte eigentlich erst in einer Woche hier sein, doch der Termin wurde vorverlegt. Nein, den Grund kenne ich nicht.
Aber wir können nicht zulassen, dass er hier herumfummelt, seinen Rüssel in gewisse Angelegenheiten steckt und auf Manipulationen stößt. Schneewittchen besorgt mir seine Beschreibung und seine aktuellste Position. Ich gebe sie dann weiter. Sie tun das Nötige, um die Bedrohung auszuschalten. Die kreativen Einzelheiten überlasse ich Ihnen.
Ende.«
Mr. Doe ließ das Funkgerät sinken und schaute sich in dem abgelegenen Raum um. In der Ferne hörte er die leisen Töne kindlichen Gelächters. Kurz darauf schaute er wieder das Funkgerät an, wechselte die Frequenz und hob es erneut an den Mund.
»Water Buffalo, hier ist Prime Factor. Hören Sie mich?«
Ein Quäken ertönte. Dann ein kurzes Rauschen. »Bestätige.«
»Wie ist das Wetter da oben?«
»Sonnig. Null Prozent Wahrscheinlichkeit von Niederschlägen.«
»Tut mir Leid, das zu hören. Hören Sie, wir sind im Geschäft.
Sie können die Eier legen, wenn Sie bereit sind.« »Verstanden, Prime Factor, Ende.«
Das Funkgerät verstummte. Mr. Doe schob es in die Tasche seines Leinenjacketts zurück, dann verschränkte er die Arme und machte es sich wieder auf dem »Stöhnbrett« bequem. Er seufzte zufrieden und ließ die Beine baumeln.
13:52 Uhr
Der Mann auf dem Steilabbruch nahm das Funkgerät langsam vom Ohr. Diesmal schob er es jedoch nicht hinter den Gürtel, sondern verstaute es in der Sporttasche neben einem dicken zerlesenen Taschenbuch. Er musterte kurz den Umschlag: Band eins von Prousts »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«. Dann nahm er das Buch impulsiv in die Hand und blätterte die schmutzigen Seiten bis zu dem Eselsohr um, das er kurz zuvor gemacht hatte.
Water Buffalo war kein typischer Leser. In seiner Jugend war er meist damit beschäftigt gewesen, sich Ärger einzuhandeln, deswegen hatte ihm immer die Zeit zum Lesen gefehlt. In der Besserungsanstalt hatte ein Geistlicher einst eine Predigt gehalten und den Jungs erzählt, Bücher seien Türen zu neuen Welten. Water Buffalo hatte nicht auf ihn gehört. Als Marinescharfschütze hatte er später endlos lange in einsamen Winkeln warten müssen, in denen es außer Zeit nichts gab.
Da war ihm die Predigt wieder eingefallen, und er hatte sich gefragt, wie diese Welten wohl aussahen.
Einen Vorteil hatten Zivilisten: Sie konnten bei der Arbeit lesen.
Daraufhin hatte er sich etwas vorgenommen: Sollte er je ein Buch lesen, musste es umfangreich sein. Ihm ging nicht in den Kopf, warum man sich so viel Zeit nehmen und Mühe geben sollte, wenn das Ding nach ein paar hundert Seiten zu Ende war. Dann musste man ja mit einem neuen Buch wieder von vorn anfangen. Dann hatte man wieder das Problem, sich neue Namen zu merken und sich auf eine neue Geschichte einzustellen. So was war nicht effektiv. Es war sinnlos.
Deswegen hatte er sich nach einiger Aufklärungsarbeit in einer Buchhandlung in Denver auf Proust festgelegt. Mit über dreitausendsiebenhundert Seiten war »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« bestimmt lang genug.
Der Schrei eines Wüstenvogels rüttelte ihn wach. Er
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