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Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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legte das Buch in die Sporttasche zurück und entnahm ihr ein Fernglas von Bausch & Lamb und das M24- Heckenschützengewehr. Dann drehte er sich in der niedrigen Rinne um, richtete das Fernglas auf die gewaltige Kuppel Utopias und suchte die zahllosen Glaspolygone ab, bis er den Wartungsarbeiter entdeckte. Der Mann war gerade erst zu dem breiten, sichelförmigen schwarzen Segment hinübergeklettert, das die Callistodecke bildete.
    Water Buffalo brummte. Das war gut. Sehr gut.
    Er legte das Fernglas weg und hob das Gewehr. Dann schraubte er den Schalldämpfer fest, drückte das Auge ans Zielfernrohr und richtete die Waffe auf die Kuppel. Das Zielfernrohr war ein Leupold M3 Ultra mit Entfernungsmesser. Er hatte sorgfältig darauf geachtet, dass es in der Sporttasche neben der Feldflasche lag. Nun fühlte sich das Metall an der Rundung seines Schädels kühl und vertraut an.
    Langsam suchte er die Kuppel ab. John Doe hatte ihm einst erzählt, dass japanische Heckenschützen im Zweiten Weltkrieg mit Eisenhaken an Palmen hinaufgeklettert waren.
    Sie hatten sich an den Stamm gebunden und tagelang auf Opfer gewartet. Water Buffalo konnte die Japaner verstehen. Das Arbeiten mit einem Zielfernrohr hatte fast etwas Beruhigendes. Im Grunde aber konnte man es Laien nie erklären. Die Welt schrumpfte urplötzlich zu einem kleinen Kreis am Ende eines Tunnels zusammen. Wenn man die Vorarbeiten richtig ausgeführt hatte, konnte man alles andere vergessen. Dann brauchte man nur noch an den kleinen Kreis zu denken. Er vereinfachte die Angelegenheit gewaltig.
    Erneut dachte er an John Doe - wie er von ihm in einem chinesischen Tempel in Bangkok angeworben wurde. Was Teamführer anbetraf, war Water Buffalo sehr wählerisch.
    Aber John Doe hatte makellose Referenzen. Seine Führungsqualitäten und sein taktisches Geschick hatten sich zu Water Buffalos Zufriedenheit seither schon bei einem halben Dutzend Unternehmen bewiesen. Für einen Zivilisten hatte Doe ein seltenes Verständnis für die Anonymität, auf die Einzelgänger wie Water Buffalo Wert legten.
    Andererseits war John Doe nicht immer Zivilist gewesen.
    Water Buffalo verschob die Waffe ein Stück. Der Arbeiter kam, nun zehnfach vergrößert, wieder in Sicht. Er hatte etwa ein Drittel der Strecke zur Kuppelspitze zurückgelegt und balancierte über einen schmalen waagerechten Laufsteg. Er trug Schuhe mit Gummisohlen und trat so präzise auf wie eine Katze. An seinem Gürtel baumelte ein handtellergroßes Gerät zur Datenaufnahme. Water Buffalo beobachtete ihn, als er einen Scheitelpunkt der Glasscheiben erreichte. Der Mann hakte vorsichtig ein Halteseil ab, klemmte es an ein Geländer gegenüber dem Scheitelpunkt und umrundete ihn.
    Schließlich ging er wieder vorwärts, blieb stehen, griff nach dem Datengerät und gab etwas ein. Vielleicht hatte er eine gesplitterte Scheibe entdeckt. Der Mann ging weiter. Water Buffalo beobachtete ihn durchs Zielfernrohr.
    Am nächsten Scheitelpunkt kreuzte eine Eisenleiter den Laufsteg. Sie führte auf der gewölbten Oberfläche der Kuppel senkrecht nach oben und unten. Der Mann hakte das Halteseil an ihr fest und kletterte über den dunklen Glasscheiben nach unten. Irgendwas an ihm erinnerte Water Buffalo an Proust. Vielleicht war es der weiße Overall, den der Mann trug. Irgendwo in der Einleitung des Buches stand, Proust habe sich gern in Weiß gekleidet.
    In Band eins war Water Buffalo an einer Stelle angelangt, an der Proust eine alte Tante beschrieb. Die Lebenssphäre der Frau war nach und nach geschrumpft und begrenzte sich nur noch auf zwei Zimmer ihrer Wohnung. Auch dies konnte Water Buffalo verstehen. Auch seine Großmutter war so gewesen. Allerdings hatte ihr schäbiges Zuhause nur aus zwei Zimmern bestanden. Doch im Alter hatte sie diese nie mehr verlassen - als wäre die Welt vor der Haustür ein anderes Universum gewesen, etwas, das man fürchtete und dem man aus dem Weg ging. Wenn die Menschen sehen wollten, wie es ihr ging, wenn sie sich von ihrem Gesundheitszustand überzeugen oder ihr Suppe bringen wollten, sollten sie gefälligst zu ihr kommen.
    Proust erzählte von einem Besuch bei seiner Tante und beschrieb, wie er ihr Lindenblütentee gemacht hatte. Auch Water Buffalo hatte seine Großmutter ein- oder zweimal besucht. Dann hatte er es aufgegeben. Jetzt fragte er sich, wie Lindenblütentee schmeckte.
    Als er mit dem Buch anfing, hatte er kein Wort verstanden.
    Seiner Meinung nach hatte da nur irgendein Franzose über seine

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