Das peinlichste Jahr meines Lebens
großen Hände der Vertrauenslehrerin.
Der Proband scheint ungeklärte Gefühle der Lust für Lucy King – eine talentierte örtliche Schwimmerin – zu empfinden und eine Reihe obsessiver Neigungen an den Tag zu legen. Diese manifestieren sich in:
Michaels unkontrollierter Eifersucht wegen Ms Kings romantischer Verbindung zu seinem Bruder Steven.
dem, was die Polizei als Belästigung von Ms King beschreibt. [20]
Vor kurzem hat er herausgefunden, dass seine Eltern Nudisten sind – eine Entdeckung, auf die er wegen seiner emotionalen Unreife [21] und seiner zwanghaften Ordnungs- und Kontrollsucht hoffnungslos unvorbereitet war. Das hat zu mehreren Vorfällen geführt, bei denen die Polizei eingreifen musste; seitdem hat er regelmäßige Beratungsstunden bei seiner Schulschwester. Trotzdem kann er seine Probleme noch nicht benennen oder dafür eine Lösung finden.
Abschrift
Chas: Yo, Mikey.
MS : (…)
Chas: Was läuft?
MS : (…) (Zuckt mit den Schultern und starrt auf den Einwegspiegel)
[Achtsekündige Pause]
Chas: Ich dachte, wir könnten diese Sitzungen
Geplauder mit Chas
nennen. Was hältst du davon?
MS : (…) (Blickt Chas kurz an und starrt dann weiter auf den Einwegspiegel)
Chas: Und, Mikey. Was geht im Moment in dir vor? Schläfst du immer noch im Zelt?
[Fünfzehnsekündige Pause. MS starrt weiter auf den Einwegspiegel.]
Chas: Gibt es irgendwas, worüber du reden willst?
[Fünfundddreißigsekündige Pause. MS starrt weiter auf den Einwegspiegel.]
MS : Sind da Leute auf der anderen Seite des Spiegels?
Chas: Ja, Kumpel. Da sitzen ein paar Leute.
MS : Was machen die da?
Chas: Die checken bloß, was abläuft.
MS : Warum?
Chas: Weil du ein interessanter Junge bist.
MS : Bin ich nicht.
Chas: Warum glaubst du das?
[Vierminütige Pause]
MS : Kann ich jetzt bitte nach Hause gehen?
Chas: Klar, Kumpel. Nur zu. War super, mit dir zu reden. Interessant.
MS : Ich würde es anders nennen. ( MS schaltet sein Mikrofon aus und verlässt den Raum.)
Chas: (Als MS gegangen ist, spricht er zu den Studenten hinter dem Einwegspiegel.) Seht ihr, Leute? So wird’s gemacht. Man muss sich auf ihre Ebene hinabbegeben, dann lassen sie einen auch an sich heran. Er hat es nicht gern, wenn man ihn ansieht. [22] Beachtet das. Ihr glaubt vielleicht, dass er nicht viel gesagt hat, aber wo wollte er hingehen? Nach Hause. In sein Nest. Seinen Kokon. Den einzigen Ort, an dem er sich sicher fühlt. Aber ihr müsst die Hintergrundinformationen lesen, Leute. Dieser Junge ist, und ich benutze hier meine eigenen Worte, ziemlich von der Rolle. [23] Seine Probleme liegen zu Hause. Wenn er sagt, dass er da hin will, sagt uns das eine Menge. Und zwar was? Dass er zur Wurzel seiner Probleme gelangen will. Nächstes Mal wird er singen wie ein Kanarienvogel.
[Zehnsekündige Pause]
Okay, wer kommt mit in den Pub?
[Siebensekündige Pause]
Was? Ihr habt alle keine Zeit? Oh. Okay. Dann halt nächstes Mal.
[Ende der Abschrift]
Umgang mit Gefühlen, 6 . Sitzung
Nach dem Geplauder mit Chas bezahlte die Universität das Taxi, das mich wieder zur Schule zurückbrachte. Ich ging direkt in Miss O’Malleys Büro. Als ich mich setzte, fragte sie, wie die erste Sitzung mit Chas gelaufen sei. Ich sagte, das Ganze sei unsinnig, und fragte, ob ich noch mal hinmüsse.
Miss O’Malley pfiff lange und laut und sagte dann: »Na, das ist ja eine tolle Einstellung. Wenn du so denkst, kannst du auch gleich deine ganze harte Arbeit aufgeben.«
Sie knackte mit den riesigen Fingern. [24] Dann sortierte sie geräuschvoll die kleinen grauen Kotzschalen aus Pappe und murmelte irgendwas vor sich hin. Ich hielt es für das Beste, den Laptop einzuschalten.
Bevor ich zu schreiben begann, sah ich schnell meine E-Mails durch. Das Protokoll des Treffens mit Chas war schon da. Beim Lesen des Ganzen habe ich das Gefühl, dass ich nicht besonders kooperativ war, aber das war wohl nicht zu ändern. Er ist ein echt seltsamer Mensch.
Die Coco Pops-Katastrophe
Am Tag nach dem absolut schlimmsten Moment meines ganzen Lebens (Teil I und II ) saß ich morgens, mit meinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, eine Schüssel Coco Pops vor mir, im Esszimmer (da es kein Wochentag war, fand ich es absolut natürlich, ein süßes Frühstück zu essen) und las die Comics in der Sonntagszeitung. Plötzlich kamen Mum und Dad ohne Vorwarnung herein.
Sie waren nackt.
»Was soll das?«, schrie ich und hielt mir die Comicseite vors Gesicht.
»Ach, mach dich nicht
Weitere Kostenlose Bücher