Das peinlichste Jahr meines Lebens
Känguru, das draußen im Regen vergessen worden war. Ich konnte kaum verstehen, was er sagte, aber es ging um seine vergeblichen Bemühungen, von anderen gemocht zu werden, die immer damit endeten, dass er den Abend allein verbringe und gebackene Bohnen auf Toast esse. [62]
So leise wie möglich schlüpfte ich aus dem Zimmer und ging mit meinem Laptop direkt hierher in die Schulbücherei. Ich wollte Chas nicht aus der Fassung bringen. Er wollte meine Meinung hören, und ich habe sie ihm gesagt. Trotzdem hatte ich ein schlechtes Gewissen. Er mag zwar ein Idiot sein, aber er hat bestimmt nie jemandem weh tun wollen.
Ich weiß nicht mal, wo die ganze Ansprache herkam. Es ist ja nicht so, dass ich sie eingeübt oder auch nur groß darüber nachgedacht hätte. Als ich all das sagte, kam es mir einfach sinnvoll vor. Ich glaube wirklich, dass dieses ganze Freiheitsgerede, das Mum ständig von sich gab, ein Haufen Unsinn war. Und ich glaube auch, dass Chas unbedingt jemand anders sein will. Ich weiß bloß nicht, was das alles mit mir zu tun hat.
Ich erzähle jetzt lieber meine Geschichte weiter, bevor ich selbst ganz deprimiert bin.
Paul Beary schnüffelt herum
Letztes Mal habe ich an der Stelle abgebrochen, als Paul Beary in unserer Einfahrt stand und ich ihn gerade fragte, was er wolle.
»Kann ich reinkommen?«, sagte er.
»Nein«, blaffte ich, »kannst du nicht. Ich weiß, weswegen du hier bist, und das kannst du vergessen. Sie ist sowieso gerade bekleidet.«
»Aber Mike …«
»Was denn? Du willst reinkommen, um dir anzusehen, wie dein Onkel seinen Wohnwagen ins All schießt? Du musst mich für echt bescheuert halten.«
Ich drängte mich an ihm vorbei. Als ich aus der Einfahrt bog, sagte er: »Es geht um Lucy.«
Sofort drehte ich mich um. »Was ist mit ihr?«
Warum ich mich glücklich schätzen kann, einen Freund wie Paul zu haben
Die Kurzfassung von Pauls Geschichte:
Als ich ihn am Schultor verlassen hatte, war ihm eingefallen, dass Mittwoch war, und damit die perfekte Gelegenheit, das Mädchenhockeyteam der zehnten Klasse beim Ausziehen zu beobachten.
Als er zu der Stelle kam, an der seine Leiter gewöhnlich lag, stellte er fest, dass sie nicht da war. Enttäuscht beschloss er, nach Hause zu gehen und seiner französischen Freundin eine E-Mail zu schreiben. [63]
Er nahm eine Abkürzung durch den Park. Dabei sah er, dass mein Bruder auf einer Bank in der Nähe der Schaukeln saß und mit einem Mädchen knutschte.
»Ich weiß, dass er es war, denn ich war nicht weit von ihnen entfernt«, sagte er.
Mir war nicht ganz wohl bei der Sache. »Wie weit genau?«
Paul schob sein großes, dickes Gesicht vor, bis es etwa einen Zentimeter von meinem entfernt war. »Ungefähr so weit. Die haben echt aufeinander gestanden. Ich hab da jahrelang rumgehangen bis sie mich bemerkt und sich rumgedreht hat. Ich musste abhauen, bevor er mich erwischt.«
Ich trat einen Schritt zurück. »Wie lange hast du denn dagestanden, Paul?«
»Ach, keine Ahnung. Ungefähr …« Er holte tief Luft. »… acht oder neun Minuten.«
»Acht oder neun Minuten?! Du bist echt durchgeknallt. Ich bin überrascht, dass Lucy dir keine runtergehauen hat.«
Paul verzog das Gesicht. »Darum geht es doch. Das Mädchen war nicht Lucy.«
Alles wird klar
Ich hatte Stes angebliches Cricketspiel und Lucys Anruf vergessen, doch jetzt ergab alles einen Sinn. Jedes Mal, wenn er behauptete, er spiele Fußball, Poker oder was auch immer, war er bei einem anderen Mädchen.
Dieser Schuft.
Wie konnte er ihr so etwas antun? Ausgerechnet Lucy King: einer erstklassigen Schwimmerin, einem rundum liebenswerten Menschen, der, verdammt nochmal, obendrein meine
besondere Freundin
war.
Zugleich dachte ich unwillkürlich, dass das vielleicht gar
nicht
so schlecht war. Ich meine, es wäre ganz klar in Lucys Interesse, wenn sie es herausfinden würde …
»Schade«, sagte ich, »dass du dafür keine Beweise hast.«
Paul wirkte leicht verlegen. »Ähm. Ja.«
»Moment«, sagte ich, als er plötzlich ausgesprochen großes Interesse für seine Schnürsenkel zeigte. »Heißt das, du
hast
Beweise?«
Paul kratzte sich mit seinen Wurstfingern im Gesicht. »Es wäre eine Schande, wenn ich keine hätte. Beim heutigen Stand der Technologie und so.«
Na klar! Schließlich redete ich mit
Paul Beary
!
»Moment mal. Du hast es gefilmt. Mit deinem Handy. Du bist wirklich was Besonderes, weißt du das? Du bist ekelhaft, krank … und … und … und großartig!«
Pauls
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