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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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die Ansiedlung von Türkisrauch markierte. Die Straße durch Tehuantepec war eine Fortsetzung der Weißen Straße der Maya und wurde seit über tausend Jahren von Händlern und Reisenden genutzt. »Wir ziehen ins Tal von Anahuac und von dort aus nordwärts nach Aztlán.«
    Türkisrauch kaute an seiner Zigarre, während er sich mit gerunzelter Stirn über die Karte beugte. Lesen hatte er nicht gelernt. »Wo ist Zempoala?«
    »Hier.« Chac wies auf ein anderes Bildzeichen.
    »Sehr gut«, brummte Türkisrauch. »Das ist das Gebiet der Totonaken, und mit denen bin ich verbündet. Du, Tenoch von den Chapultepec, und ich, wir sind nun ebenfalls Verbündete, also werden meine Krieger bis an die Grenzen meines Gebietes mit dir ziehen, und dort werden wir dir helfen, mit Häuptling Acayucan, der mit meiner Schwester verheiratet ist, weiteren Schutz auszuhandeln.«
    Bevor er jedoch die Vereinbarung mit dem Daumenabdruck in seiner Handfläche besiegelte, hielt Türkisrauch einen fetten, nikotinverfärbten Finger hoch und sagte: »Eine Sache noch. Ich traue diesem Maya und seinen Kriegern nicht.«
    »Mach dir um Balám keine Sorgen. Er wird tun, was ich sage.« »So sei es!«
    Die Menge brach in Jubel und Bewunderungsrufe aus. Chac war selbst von seinem Talent als Unterhändler und Diplomat überrascht. Aber er wusste, dass dieses geschickte Taktieren ihm nur möglich geworden war, weil er wusste, wo er selbst stand. Chac als Maya wäre nicht so überzeugend aufgetreten.
    »Um unsere Abmachung zu besiegeln«, sagte der Häuptling und rieb sich die feisten Hände, »werden wir Ehen arrangieren.«
    Chac zwinkerte ungläubig. »Ehen?«
    Auf ein Zeichen von Türkisrauch hin wurde ein schüchternes junges Mädchen in den Kreis gebracht. »Um unsere beiden Stämme zu vereinen, wirst du meine Tochter heiraten«, sagte der Häuptling zu Chac.
    Und auf Tonina deutend, fügte er hinzu: »Und sie wird meine Frau.«

54
    Im flackernden Schein der Fackeln bewunderte Balám die kostbare Krone aus Gold, Jade und Bernstein, die ihm heimlich ins Lager gebracht worden war. »Einer Königin würdig«, hatte der Lieferant gesagt, ohne zu erklären, wie er in den Besitz einer solchen Kostbarkeit gelangt war.
    »In der Tat«, murmelte Balám und händigte dem Mann fünf Ozelotfelle aus, zwanzig Kakaobohnen und eine Kalebasse pulque. Ein gesalzener Preis. Aber die Krone war für Ziyal bestimmt, für den Tag, da er der Beherrscher der Welt wurde.
    Nachdem der heimliche Besucher im Dschungel untergetaucht war, schaute Balám sinnend auf die Bucht von Campeche, in deren Wasser sich das Licht der Sterne spiegelte. Seine Hand fuhr zu dem kleinen Beutel an seinem Hals. Der Milchzahn seiner Tochter. Aus diesem winzigen Objekt würde Balám die göttliche Kraft zuteil werden, um auf dem höchsten Erdenthron Platz zu nehmen. Süße Erinnerungen tauchten in ihm auf: Ziyal, wie sie auf seinen Schultern durchs Haus geritten war, wie sie gequietscht hatte, wenn er sie, auf seinem Knie sitzend, gekitzelt hatte, wie er nachts an ihrem Bettchen gewacht hatte, wenn sie krank war. Das Gefühl ihrer Ärmchen um seinen Hals. Ihr zarter Atem an seiner Wange. Wie sein Herz gejauchzt hatte, wann immer sie ihn »Taati« genannt hatte.
    Bald, mein Schatz, schrie es in ihm, als er seine Gedanken über die Wellen und hinauf zu den Sternen sandte. Nicht mehr lange, meine süße Kleine, dann ist Taati wieder bei dir.
    Während er den nächtlichen Geräuschen lauschte, verpackte Balám vorsichtig die Krone in einen mit trockenem Gras ausgepolsterten Korb.
    Angewidert von dem lächerlichen Schauspiel am Strand – Chac handelte ein Friedensabkommen mit diesem Zapotekenhund aus –, hatte er seinen Männern befohlen, bis Mitternacht zu warten und sich dann ins Lager der Krieger von Türkisrauch zu schleichen. »Überzeugt euch, dass alle schlafen«, hatte er gesagt, »dann zückt ihr eure Messer und … «
    Er grinste hämisch. Wenn er der Armee von Häuptling Türkisrauch Verluste beibrachte, schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe: er schwächte den fetten Anführer der Zapoteken und er verminderte die Anzahl der Soldaten, die zum Schutz von Chacs Leuten bestimmt worden waren.
    Frauenaustausch! Welch widerwärtiger Gedanke. Nur Schwächlinge ließen sich darauf ein, die Tochter oder Schwester eines Feindes zu heiraten, um auf diese Weise den Frieden zu bewahren. Für Balám, einen Krieger durch und durch, gab es nur einen Weg, um Frieden zu schaffen: den Kampf. So und nicht anders

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