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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Maya-Ausdruck für »Todesangst« war.
    Als Balám aus seinem Versteck Paluma mit dem Tode ringen sah, beschloss er, Chac am Leben zu lassen und all dies hier seinem Gewissen aufzubürden. Sollte ein Mann des Nachts, wenn Dämonen und Kobolde ihr Unwesen trieben, nicht bei seiner Frau sein? Es war Chacs Schuld, dass Paluma sterben musste. Jetzt würde er erfahren, wie schmerzhaft es war, die Ehefrau zu verlieren.
    Balám schlüpfte hinaus in die Nacht, im selben Augenblick, da Chac durch den Haupteingang in die Villa stürmte, gefolgt von den Dienern, die ihm aufgeregt berichtet hatten, dass Paluma etwas zugestoßen war.
    Tränenüberströmt schaute Tonina zu ihm auf. »Sie muss über den Teppich gestolpert und an die Urne geprallt sein … «
    Chac sank auf die Knie, konnte es nicht fassen.
    Tapferer Adler und die Diener verharrten schweigend an der Türöffnung.
    Chac sah Tonina mit schmerzerfülltem Blick an. »Hat sie … etwas gesagt, bevor … ?«
    Tonina verstand ihn nicht. Umso erleichterter war sie, als sie sah, wie Einauge sich an den Dienern vorbeidrängelte. Eine Alkoholfahne verströmend und mit Spuren von Schminke auf Hals und Gesicht, trat er neben sie.
    Chac wiederholte seine Frage. Der Zwerg übersetzte und wartete auf Antwort.
    Tonina wollte nicht lügen, brachte es aber auch nicht über sich, Chac die Wahrheit zu sagen. Auf der Perleninsel fürchtete man sich vor einem sich hinziehenden Sterben, weshalb es Brauch war, einem Menschen in diesem Zustand aus dem Leben zu helfen. Dadurch, so glaubte man, würde der Geist davor bewahrt, wirr zu werden, und der Zutritt zum Paradies wäre sichergestellt. Ein langsames Sterben rief Geister auf den Plan, die die Lebenden heimsuchten. Und Dämonen bemächtigten sich zuweilen der Seelen der Sterbenden.
    Sie konnte ihm unmöglich sagen, dass das letzte Wort seiner Frau »Todesangst« gewesen war.
    »Eure Gemahlin war sofort tot«, sagte sie leise. »Sie hat nichts mehr gesagt. Sie war sich nicht bewusst, dass sie sterben würde.« Chacs Gesicht verzerrte sich schmerzhaft, ein erstickter Laut entrang sich seiner Kehle. »Ich hätte bei ihr sein müssen! Dann hätte ich sie vielleicht retten können! Ich bin schuld, dass sie gestorben ist!«
    Blitzartig wurde ihm klar, dass er sich durch seine Zusage, das Spiel zu verlieren, den Zorn der Götter zugezogen hatte. Dass er sich dann anders besonnen und sein Wort nicht gehalten hatte, tat nichts zur Sache. Er war bereit gewesen, den Göttlichen Plan zu durchkreuzen! Und jetzt wurde er dafür bestraft. Außerdem war Paluma gestorben, ohne ein Schuldbekenntnis ablegen zu können, weshalb ihre Seele und die ihres ungeborenen Sohns für immer verloren waren. Um nie wieder aufzuerstehen.
    Blind vor Schmerz und Zorn sprang er auf, rannte zu dem kleinen Hausaltar. Die Statuen von zwei Göttern, die Paluma hätten beschützen sollen, gingen zu Bruch. Als er nach der von Kukulcan griff, eilte Tonina auf ihn zu und entwand ihm die kleine Figur, noch ehe er sie zu Boden schleudern konnte.
    Ein Nachbar kam angerannt, Hu Imix, ein wohlhabender Rechtsgelehrter und guter Freund von Chac und Paluma. Er und seine Frau waren von dem Lärm wach geworden, der durch die geöffneten Fenster und über die Gartenmauern hinweg drang. Entsetzt blickte er nun auf die Szene, die sich ihm bot: Paluma, die in einer Blutlache lag, neben ihr ein kniender Zwerg, überall Bruchstücke von zerschmetterten Götterstatuen, Chac und die Wahrsagerin, beide die Hand an dem Abbild von Kukulcan.
    Was hatte sich hier ereignet?

    Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht. Weitere Freunde und Nachbarn stellten sich ein, sahen Chac auf dem Boden knien, den leblosen Körper seiner Frau in den Armen wiegend. In den Korridoren wurde eifrig getuschelt. Hu Imix schickte den Obersten Verwalter der Villa mit einem dringenden amtlichen Auftrag los, und kurz darauf erschienen Stadtwachen in Begleitung eines Priesters mit Sondervollmacht, dem es zukam, das Volk vor Frevel und Gotteslästerung zu beschützen. Die Dienerschaft wurde befragt; sie sagten aus, Chac und die Wahrsagerin hätten die Abbilder der Hausgötter zertrümmert. Sie hätten geweihte Heiligtümer entehrt und die Götter höchstpersönlich verflucht.
    Vier Männer waren nötig, um Chac die Leiche von Paluma zu entwinden. Als sie seinen Griff schließlich gelockert hatten, sackte er in sich zusammen und erhob keinen Einspruch, während man ihm die Handgelenke fesselte. Tonina dagegen schrie auf, als

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