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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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verfallen, weil die Götter sich schon vor vielen Generationen von dort zurückgezogen haben. Auch sind die weit weg im Nordwesten gelegenen Ruinen nur über zerklüftetes und unwirtliches Gelände zugänglich. Aber Teotihuacán gibt es, heilige Frauen leben dort, und es heißt, dass auch die Geister der Götter weiterhin dort wohnen.«
    Chac blinzelte Seine Großherzige Güte an und richtete sich abrupt auf. »Ist das wahr?« Zum ersten Mal seit der unseligen Nacht schien das Leben in ihn zurückzukehren. »Ich kann Palumas Seele retten?«
    »Natürlich. Ich weiß, dass Männer eine solche Pilgerreise unternommen haben. Leicht ist sie jedoch nicht. Zwischen Mayapán und der Stadt der Götter trifft man auf blutrünstige Stämme. Außerdem auf Gebirge, dichtesten Dschungel und wilde Tiere, Fabelwesen und viel seltsame Zauberei. Wenn du es jedoch nach Teotihuacán schaffst und das erforderliche Ritual erfüllst, wird die Seele von Paluma auferstehen.«
    Alle Gedanken um Tonina und das Leben als solches verblassten. Pilgerreisen in die Stadt der Götter waren also doch keine Hirngespinste, wie Chac bislang angenommen hatte.
    »Allerdings«, warnte der König, »darfst du keine Zeit verlieren. Wie du weißt, halten sich die Geister der Toten nur kurzfristig im unteren Bereich auf und verschwinden dann für immer.«
    »Wie viel Zeit bleibt mir?«
    »Du musst dich nach dem neunmonatigen tzolkin- Kalender richten.« Damit berief sich der König auf die heiligste Zeitrechnung der Maya. »Zähle zweihundertsechzig Tage ab dem Zeitpunkt des Todes deiner Frau nach vorn. Bis dahin musst du es geschafft haben.«
    »Neun Monate, so lange wie eine Schwangerschaft dauert«, murmelte Chac und musste an die auf so brutale Weise beendete von Paluma denken.
    »Genau! Weil deine Frau ohne Schuldbekenntnis gestorben ist, muss ihre Seele diese Periode durchlaufen, um frei von Sünden im Himmel neugeboren zu werden. In der Stadt der Götter musst du die Schwesternschaft der Seelen aufsuchen, eine Gemeinschaft von Priesterinnen, die sich der Wiederauferstehung von Sündern widmen, die ohne Schuldbekenntnis gestorben sind. Sie haben einen uralten heiligen Schrein im Mondtempel. Und sie sind die Einzigen, die sich für Tote, die sich nicht zu ihrer Schuld bekannt haben, verwenden können.«
    »Ich werde es schaffen!« Chac war Feuer und Flamme. Auf einmal hatte er wieder ein Ziel vor Augen. »Ich breche sofort auf nach Teotihuacán und werde so in die Stadt einziehen, wie es den Göttern zur Ehre gereicht, mit Sklaven und Dienern … «
    Der König hob die Hand. »Du musst allein gehen.«
    »Allein?«
    »Keine Diener, keine Wachen, keine Begleiter. Was würdest du damit den Göttern beweisen? Du musst Einsamkeit und Mühsal erleiden, um dich würdig zu erweisen.«
    Chac runzelte die Stirn. Er war noch nie allein gewesen. Nicht einmal damals, als er noch kein wohlhabender Ballspieler war, sondern mit seiner Mutter in der Palastküche lebte. Und nachdem er in die Akademie der Ballspieler übergewechselt war, hatten ihn stets Trainer, Diener, Mitspieler umgeben. Höchstens im Schwitzbad war er ohne Gesellschaft gewesen. Die Vorstellung, jetzt für lange Zeit allein zu sein, behagte ihm nicht.

24
    Auf dem belebten Marktplatz deckten sich die drei Freunde mit Proviant ein.
    Kaum in Mayapán angekommen, hatte sich Tonina in die Villa begeben, um ihre Sachen aus dem Versteck zu holen. Sie hatte miterlebt, wie Chac im Triumphzug in der Stadt Einzug gehalten hatte und zum Palast getragen worden war, zu einer dort anberaumten Feier. Sie war froh, dass niemand an sie dachte. Es zog sie zur südlichen Küste – und sie wollte es vermeiden, Chac über den Weg zu laufen.
    Während Tonina Umhänge für sich in Augenschein nahm, schlängelte sich Tapferer Adler heimlich durch die Menge davon. Er hatte aus Toninas Reisesack einen Gegenstand genommen: den gläsernen Becher der Prophezeiungen.
    Nun schlich er sich in den Garten der Villa von Paluma und eilte ins Haus. Es war nicht sein Verstand, der ihn leitete, sondern vielmehr undefinierbare Gefühle, Bruchstücke von vagen Träumen und der immer stärker werdende Drang, sein Volk ausfindig zu machen. Was ihn getrieben hatte, herzukommen und diesem für ihn unbegreiflichen Auftrag nachzukommen, darüber dachte der Junge nicht nach. Er akzeptierte ihn als etwas, was unbedingt zu erledigen war.
    Die Sonne sandte goldene Strahlen in die geräumigen Zimmer der Villa, in der die Dienerschaft damit beschäftigt

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