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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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kostbare Klosterbände«, sagte die Frau.
    »Sie besitzen ihre eigene Magie.«
    »Möchten Sie eine Tasse Tee?«
    »Das kann ich Ihnen nicht zumuten.«
    »Solange draußen der Regen prasselt …«
    Gabriel sah sie in einen Nebenraum humpeln. Betrachtete die kurzen, nach außen gekrümmten Beine. Das versträhnte Haar, das auf der flachen Stirn klebte. Die breiten Hüften, die die Frau leicht zur Seite drehte, bevor sie durch den Türrahmen ging. In dem schmalen Laden standen alte Bücher vom Dielenboden bis unter die Decke. Die Raritäten – vor allem Bibeln und alte Atlanten – lagen verschlossen in einer Vitrine.
    Schon kam die Frau zurück. Sie stellte ein Teetablett auf ein Tischchen, öffnete zwei Klappstühle, die, scheinbar zufällig, hinter der Registrierkasse an der Wand lehnten. Sie musste das alles vorbereitet haben. Ein Kunde, der sie nach Ladenschluss noch in ihrem Geschäft aufsuchte. Ein Mann ihres Alters, schüchtern, ohne Ehering. Der sich nicht herausputzte. Eher einer, der von anderen Frauen übersehen wurde. Solche Männer waren die besten.
    »Haben Sie einen Künstlernamen?«, fragte die Frau, während sie den Tee in die Tassen goss.
    »Ich habe viele Künstlernamen.«
    »Während der Arbeit habe ich mich gefragt, was für eine Magie kann das sein? Bücher mit einem Hohlraum, vielleicht bunte Tücher?«
    »Könnte sein.«
    »Aber warum Bibeln?«
    »Verrät ein Magier sein Geheimnis?«
    »Natürlich nicht«, sagte sie und senkte den Blick, als habe sie schmutzige Dinge von ihm verlangt.
    »Ich zeige den Trick in Athen das erste Mal.«
    »Öffentlich?«
    »Vor ausgewähltem Publikum.«
    »Dann sind Sie bestimmt aufgeregt?«
    »Ein bisschen.«
    »Und wenn der Trick Erfolg hat?«
    »Sieht man ihn im Fernsehen.«
    Durch speichelfeuchte Lippen blies sie auf ihren Tee. Er hob den Kopf, als habe er eine Idee.
    »Ich könnte Ihnen –«
    »Ja?«
    »Nein, es ist Ihnen zu kindisch.«
    »Bestimmt nicht.«
    »Ich könnte Ihnen ein Kunststück zeigen.«
    »Das wäre wunderbar!«
    »Damit beeindrucken Sie Ihre Kunden.«
    »Oh, bitte!«
    »Aber vor Ihrem Fenster laufen Passanten vorbei. Sie würden stehen bleiben, alles durchschauen.«
    »Ich habe sowieso schon geschlossen!«
    Sie sprang auf, fast riss ihre Hüfte das Tablett vom Tisch. Sie eilte zum Fenster, ließ das Stahlrollo herunter. Sie kam zurück, von den wenigen Schritten außer Puste.
    »Wir brauchen zwei Bücher«, sagte er. »Ein grünes und ein rotes. Nein, diese sind zu dick. Dort oben!« Er zeigte auf einen schmalen Band, im Regal knapp unterhalb der Decke. »Und das daneben!«
    »Das ist blau.«
    »Es reicht zum Üben.«
    Sie stellte eine Trittleiter vor das Regal. Sie begann, ihren verwachsenen Körper die Stufen hinaufzuwuchten. Sie musste sich auf die Plattform stellen, ohne Halt an den Griffen. Sie streckte die Arme aus. Gabriel reichte ein leichter Tritt, die Leiter kippte. Die Frau stürzte, ein Schlag mit dem Buchrücken ins Genick …
    Da lag sie, auf den Dielen. Das Genick nicht gebrochen, aber geknackst. Sie röchelte durch die halb verschluckte Zahnklammer. Sie war noch bei Bewusstsein. Unter der Registrierkasse fand er eine Plastiktüte. Er hob ihren Kopf an, achtete darauf, mit den Fingern nicht in ihr fettiges Haar zu greifen. Ihr Blick war böse, voller Enttäuschung. Durch die Zahnklammer würgte sie unverständliches Gelalle heraus. Was nahm sie ihm übel? Ihre Hässlichkeit?
    Er stülpte die Tüte über ihren Kopf. Sie schrie durch das Plastik, er presste die Hand auf ihren Mund. Er sah dem Aufbäumen ihres Körpers zu, dem letzten Zucken. In zwei weiteren Tüten verstaute er die Bibeln. Der Körper bewegte sich nicht mehr. Er löschte das Licht und zog den Rollladen hoch.
    Er trat auf die Gasse. Die letzten Regentropfen fielen. Er fühlte ein leichtes Brennen in der linken Schulter. Die Steine der blonden Frau hatten ihn an Oberschenkel, Po und Rücken getroffen. Er hatte Prellungen und Blutergüsse. Er spürte noch den Schmerz, doch sie behinderten nicht seine Bewegungen. Der letzte Stein jedoch hatte seine Schulter getroffen. Die Spitze hatte sich bis aufs Schlüsselbein gebohrt. Zwanzig Minuten lang hatte er ein Taschentuch auf die Wunde drücken müssen, während er mit der anderen Hand den Wagen lenkte. Endlich hatte die Wunde aufgehört zu bluten.
    Die Geschäfte in der Ermoú hatten längst geschlossen. Auf einer Apfelsinenkiste vor einem Ladeneingang saß ein Gitarrenspieler. Er hatte einen grauen Bart, graue Locken

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