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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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eine mythische Burg. Scheinwerfer tauchten ihre Säulen in rotgoldenes Licht. Sie leuchtete wie ein Mahnmal aus ferner, glanzvoller Zeit. Dunkel erinnerte sich Maria an ein Referat, das sie im Geschichtskurs gehalten hatte. Zehnte oder elfte Klasse. »Die Akrópolis,« hatte sie gesagt, »ist der Anfang von allem. Kein römischer Tempel, keine gotische Kathedrale, kein modernes Bankgebäude, das nicht, direkt oder auf Umwegen, von ihrem berühmtesten Tempel, dem Parthenón, inspiriert wäre. Die Akrópolis ist das einflussreichste Bauwerk der Welt.«
    War es eine gute Idee, jetzt Johannes im U-Turn anzurufen? Um die Überweisung eines Vorschusses zu bitten? Wie sie diese Bettelei hasste! Außerdem hatte er bestimmt alle Hände voll zu tun. Besser, sie verschob den Anruf auf morgen. Sie hatte Kommissar Gerakákis versprochen, ihm ihre neue Handynummer durchzugeben. Und er hatte versprochen, in Barney’s Bikeshop anzurufen. Das war ihre Bitte gewesen. Maria Brecht, sollte er sagen, sei als Zeugin nach Athen geladen und könne ihre Rechnung erst in drei Tagen begleichen. Sie fühlte sich besser so. Sie hatte Schulden, aber keine Schuld. Gerakákis rief sie lieber morgen früh an. Vielleicht gab es dann schon Ermittlungsergebnisse. Den dritten Anruf konnte sie nicht verschieben.
    »Abend, Undine.«
    »Maria! Bist du gut angekommen?«
    »Klatschnass bin ich. Was ist das im Hintergrund für Musik?«
    »Ich sitze in einer Bou-bousou … wie heißt das hier?«
    »Undine?«
    »Entspanne dich!« Undines Lachen klang eine Spur zu schrill. »Ich sitze auf dem Balkon, die Musik kommt von den Nachbarn. Ich trinke Granatapfelsaft mit Minze. Hör zu. Ich weiß, ich hab’s in letzter Zeit übertrieben. Ich weiß, ich muss ein bisschen aufpassen. Siehst du? Ich belüge mich nicht. Und weil ich mich nicht belüge, habe ich’s im Griff.«
    Sie hörte Julians Stimme, hörte seine kleinen Hände, die nach dem Telefon griffen.
    »Hallo, Maria!«
    »Hallo, Kleiner. Habe ich dich geweckt?«
    »Ich habe noch nicht geschlafen!«
    »Wird aber Zeit.«
    »Erzählst du mir noch eine Lüge?«
    Das war ihr Spiel: Lügen. Er liebte es, wenn Maria die Stimme senkte. Wenn sie böse Sachen sagte, er sich unter die Decke kuschelte und sie aus großen Augen ansah, voll Angstschauer und Bewunderung.
    »Ich bin nur wegen dir nach Athen gefahren«, sagte Maria nun böse.
    »Wirklich?«
    »Weil ich’s mit dir nicht mehr ausgehalten habe! Hier gibt es keine Kinder!« höhnte sie. »Nur alte Leute! Auf Krücken und im Rollstuhl! Du glaubst nicht, wie schön es hier ist!«
    »Du bist froh, dass du mich los bist?«
    »Ich springe und tanze!«
    »Dann bringst du mir aus Athen nichts mit?«
    »Dir?! Etwas mitbringen?! Ha! Wie komme ich dazu?!«
    »Auch nichts Schönes?«
    Fünf Jahre war der Kleine alt und stellte ihr schon solche Fallen. Aber nun konnte sie nicht zurück.
    »Dir bringe ich ganz bestimmt nichts Schönes mit!«
    Teil des Spiels war, dass er irgendwann ihre Hand festhielt, als habe er einen Dieb ertappt: »Ist alles gelogen!« Dass er sie umfasste und einen Gutenacht-Kuss auf ihre Wange drückte. Jetzt konnte er sie nicht umfassen. Sie hörte ihn ins Telefon atmen. Er wollte mehr Lügen. Sie stand am Fenster, schaute in den wolkenschweren Himmel.
    »Ich erzähle dir auch nie wieder eine Lüge! Weil ich nämlich nicht zurückkomme! Nicht nach Kreta, nicht nach Berlin, an keinen Ort der Welt! Dann bin ich einfach nicht mehr da!«

8
    »Sie sind tatsächlich Magier?«
    »Man hält mich dafür.«
    »Aber was ist der Trick?«
    Der höfliche, etwas linkische Mann wiegte erst eine, dann eine zweite der alten Bibeln in seiner Hand. Sein Finger fuhr über den Ledereinband, den Goldschnitt. Er öffnete sie, blätterte durch die Seiten: Genesis … Levitikus … Josua …
    »Ich habe alle fünf Bibeln gleich gefertigt«, sagte die Frau. In ihrem Mund blitzte eine Zahnklammer.
    »Sie haben wundervoll gearbeitet«, sagte der Mann.
    In allen fünf Bibeln begann die Aussparung im vierten Kapitel des Zweiten Buches Samuel. Alle Seiten waren herausgeschnitten, bis auf einen neun Millimeter breiten Rand. Der Hohlraum reichte durch alle weiteren Bücher des Alten Testaments, die Evangelien, die Apostelgeschichte bis zum Zweiten Korintherbrief. Er hatte eine Tiefe von acht Komma sechs Zentimetern. Die Innenkanten waren sorgfältig verleimt.
    »Die Heilige Schrift«, sagte der Mann. »Bestimmt ist es Ihnen nicht leichtgefallen, sie zu zerstören.«
    »Es sind

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