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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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geschafft hatte, schon gar nicht in die Nähe einer Königin. Aber an ihre Lebensklugheit hielt sich Maria, seit sie laufen konnte. Also hatte sie das kobaltblaue Kleid mit den Spaghettiträgern eingepackt, die Silberkette und die weißen Sandalen. Beim Anziehen war ein Riemchen gerissen. Sie hatte zwölf Euro ausgeben müssen, für Espadrilles von einem der Händler auf dem Omónia-Platz. Zwei Euro hatte sie im Internetcafé bezahlt, zwei Euro für die Pizza. Sie hatte noch vierundzwanzig Euro. Sie ging über den Kolonáki-Platz, vorbei an einem voll besetzten Straßencafé. Sie fühlte die Blicke auf sich ruhen.
    Kleoménous 11c.
    Je höher Maria die schmalen Treppen hinaufstieg, desto stiller wurden die Gassen, desto exklusiver die Apartmenthäuser. Die Luft war kühl und sauber. Hier stand ein Porsche, dort ein Mercedes. Die Schaufensterauslage einer Boutique bestand aus zwei Handtaschen – natürlich ohne Preisschild. Hinter einer Tür unter blauem Licht verschwanden Männer in weißen Anzügen, Frauen in goldenen Pumps. Eine Bar oder ein Restaurant, dessen Name kein Außenstehender kennen musste.
    Klingel ohne Namen.
    Das Haus, vor dem Maria nun stand, war eine Spur älter, einfacher als die Apartmenthäuser links und rechts. Sie klingelte zweimal lang, zweimal kurz. Über der Tür hing eine Kamera. Sie hörte den Summer, stieß die Tür auf. Am Ende eines blassgelb gefliesten Treppenhauses, in dem es nach Bohnerwachs roch, wartete ein Fahrstuhl. Groß genug für drei Personen, das Schalterbrett war zerkratzt. Die Tür glitt hinter ihr zu, der Fahrstuhl fuhr hoch, ruckelnd, vierter Stock, fünfter Stock, er passierte das oberste Stockwerk. Er fuhr weiter. Sie hörte elektronischen Swing, der näher kam. Der Fahrstuhl hielt, die Tür glitt auf.
    Sie war nicht sicher, ob sie in eine Diele, ein Wohnzimmer oder auf eine Terrasse trat. Alles glitt in schwerelosem Luxus ineinander. Wasser rieselte von Schieferwänden, Lampen hingen wie bunte Tropfen aus dem Nirgendwo. Flügeltüren öffneten sich zu einer Bar, an der Männer in hellen Anzügen lehnten, mit Einstecktüchern und offenem Kragen. Frauen in schulterfreien, fließenden Kleidern schwebten über Milchglasfliesen wie sündige Engel. In einer cremeweißen Sitzgruppe hingen schöne, sehr dünne Mädchen, sprachen Portugiesisch und ließen sich von älteren Männern die Stirn küssen.
    »Maria!«
    Eléni kam auf sie zugetrippelt, in einem metallblauen Paillettenkleid, schimmernd wie ein Globus. Um den Äquator hatte sie einen schwarzen, strassbesetzten Gürtel gewickelt. Sie breitete ihre kurzen, runden Arme aus und rief:
    »Du bist die schönste Frau des Abends.«
    Küsschen links, Küsschen rechts.
    »Hat der Taxifahrer die Adresse gleich gefunden?«
    »Der Taxifahrer?«
    »Trink ein Glas Champagner!«
    Schon nahm Eléni zwei Champagnerkelche von einem Tablett, das eine dunkelhäutige Schönheit vorbeitrug. Sie trank ihr Glas in zwei Schlucken leer und warf es in eine Pflanzschale. Sie nahm Maria am Arm und führte sie auf die Terrasse.
    »Der Gastgeber wird dich ansprechen«, flüsterte sie. »Yánnis Kostáki. Er sieht gut aus, er hat Geld. Ich bin sicher, er macht dir ein Angebot. Achte auf jedes Wort.«
    Schon trippelte sie weiter, warf Kusshände nach hier und dort und empfing belustigte Komplimente für ihr Paillettenkleid. Das war ihre Maske. Keiner nahm sie ernst. Jeder hielt sie für ein durchgeknalltes, fettes Ding, mit dem man schäkern und lästern konnte, vor dem man seine Zunge nicht zu hüten brauchte. Wahrscheinlich, dachte Maria, war Eléni Galánis eine clevere, gnadenlose Journalistin.
    Sie trat an das Geländer der Terrasse. Am Himmel funkelten Sterne, unter ihr die Lichter der Stadt. Der Blick auf die Akrópolis war phantastisch. Die Polizei hatte das Transparent längst heruntergerissen. Klar und erhaben leuchtete der Parthenón über dem Mittelmaß der modernen Stadt.
    »Ist sie nicht wundervoll?«
    Maria drehte sich um. Vor ihr stand der Mann, den sie am Vormittag an der Tempelsäule gesehen hatte. Er zwinkerte ihr zu aus grünbraunen Augen. Er trug keine Abendgarderobe wie die anderen Gäste. Der seidig-fließende, anthrazitfarbene Stoff eines Mao-Anzugs umschmeichelte seine Brustmuskeln und den flachen Bauch.
    »Nur wegen dieses Blicks habe ich diese Hütte gemietet.«
    »Das war der einzige Grund?«
    Er zuckte die Schultern. »Ehrlich gesagt, mir ist hier alles zu neureich. Nehmen Sie diesen Swimmingpool. Die Griechen sind verrückt

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