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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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Maria voraus.
    »Heute ist es ruhig«, erklärte sie. »Wir sind im August. Und morgen ist Feiertag. Die Menschen nehmen einen Tag frei.«
    Lange Flure, Neonlicht. Abgewetzter Teppichboden. Hin und wieder das Klingeln von Telefonen, selten eine Stimme. In einem Fahrstuhl fuhren sie in den 9. Stock.
    »Warum heißt es Ministerium für Bürgerschutz?«, fragte Maria.
    »Weil es das ist, was wir tun«, antwortete Kraniótis. »Wir schützen die Bürger.«
    »Wovor?«
    »Dem Ministerium untersteht die Polizei, die Küstenwache, der Nachrichtendienst. Alles, was den Bürger oder den Staat bedroht, landet früher oder später bei uns. Hoffentlich früher.« Maria war nicht sicher, ob sie einen Unterton hörte.
    Die Fahrstuhltür fuhr auf. Sie gingen über neu verlegten Teppichboden. An den frisch gestrichenen Wänden hingen Bilder von Hubschraubern und Kriegsschiffen. Die Türen standen weiter auseinander; die Büros dahinter mussten größer sein.
    Kraniótis schloss die Tür zu ihrem Büro auf. Maria hätte gern gewusst, welche Position die Frau in diesem Ministerium bekleidete. Aber die griechischen Buchstaben auf dem Türschild konnte sie nicht lesen.
    Es musste eine höhere Position sein. Das Büro war geräumig, die Möblierung aus dunklem Holz. Aus den Fenstern hatte man einen Blick auf Athen im Sommersmog. Die Tür zu einem Vorzimmer stand offen; wahrscheinlich arbeitete dort sonst eine Sekretärin. Jetzt waren sie allein. An der Wand über einer Sitzgruppe hing eine große Karte Griechenlands; auf Inseln und Festlandorte waren bunte Wimpel gesteckt. Eine griechische Fahne hing an einem Messingständer, der auf dem aufgeräumten Schreibtisch stand. Schließlich Kraniótis selbst: Ihr mausgraues Kostüm kam nicht von der Stange. Sie duftete leicht nach einem Parfum, das Maria gefiel. Und ihr Englisch war gut.
    »Bitte setzen Sie sich.«
    Kraniótis deutete auf den einzigen Stuhl, der vor ihrem Schreibtisch stand. Nicht auf die Sitzecke. Sie bot ihr auch kein Getränk an. Vielleicht weil die Sekretärin fehlte. Maria hatte zum Frühstück nichts trinken können. Die Polizisten hatten ihr kaum Zeit gegeben, ihr Schälchen Cornflakes leer zu essen. Kraniótis setzte sich hinter ihren Schreibtisch, in einen Stuhl mit hoher Lehne, auf dem sie etwas höher saß als Maria. Sie schob ihre Computertastatur zur Seite, so dass sie die Arme aufstützen konnte. Sie lächelte und sagte:
    »Dies ist kein Verhör. Sie sehen, ich schreibe nicht mit. Es sitzt auch niemand im Nebenraum. Wir können vollkommen offen reden.«
    »Ehrlich gesagt, wäre mir ein Verhör lieber«, sagte Maria.
    »Warum?«
    »Eine offizielle Aussage. Mit Unterschrift und Kopie.«
    »Ich verstehe nicht …« Kraniótis scheiterte am Versuch, ihre wachsglatte Stirn zu runzeln.
    »Vor zwei Tagen habe ich auf dem Kommissariat in Heraklion eine Aussage gemacht«, sagte Maria. »Jedenfalls dachte ich das. Der Kommissar hat Notizen gemacht, so wie Sie gerade Notizen machen. Aber meine Aussage wurde nie protokolliert. Plötzlich erscheinen Zeitungsartikel, in denen steht nur Unsinn. Zum Beispiel, dass ich auf meinem Mountainbike in eine Felsspalte gestürzt bin. Dass es aussah wie Flucht. Dass ich Kreta überstürzt verlassen habe. Dass ich verdächtigt werde, einen Menschen umgebracht zu haben.«
    »Verstehe«, sagte Kraniótis und legte ihren Kugelschreiber zur Seite. »Das ist natürlich ärgerlich. Diese Berichte rücken Sie in der Tat in ein ungünstiges Licht.«
    »Ich vermute sogar, das ist die Aufgabe dieser Berichte.«
    »Geben Sie nichts auf ein paar kleine Artikel in der Regionalpresse.«
    »Ihre Polizei gibt eine Menge auf diese Artikel. Gestern Abend hat sie meine Freundin auf Kreta ausgefragt. Heute Morgen holen mich Ihre Kollegen vom Frühstückstisch.«
    »Ich verstehe, das regt Sie auf«, seufzte Kraniótis. »Und selbstverständlich haben Sie das Recht auf eine Aussage. Aber wie viel Aufwand würde das jetzt bedeuten? Sie bräuchten einen Anwalt, einen Übersetzer …«
    »Wir brauchen keinen Übersetzer.«
    »Wir brauchen ihn fürs Protokoll. Wir müssen Ihre Botschaft informieren. Die Botschaft schickt Vertreter und einen Anwalt. So etwas findet immer seinen Weg an die Presse. Eine deutsche Touristin! Verwickelt, sprechen wir’s aus, in einen Mord! Das steht dann nicht bloß in den Zeitungen auf Kreta. Das liest man auch in Berlin!«
    »Die Zeitungen hätten von Anfang an nichts schreiben können, wenn es ein Protokoll gegeben hätte.«
    »Ich

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