Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll
pleite«, sagte er.
»Ich weiß, wie jämmerlich das klingt.«
»Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.«
Er deutete auf Reisebusse, vor denen Touristen mit Koffern und Taschen standen.
»Glauben Sie?«
»Überall vor den Hotels. Der Flughafen ist voll. Die Touristen werden krank von der Luft und vom Wasser. Einige mieten ein Taxi bis zur Grenze. Hauptsache raus.«
Ein mageres Mädchen im eingerissenen Trainingsanzug ging bettelnd zwischen den Ausländern herum. Sie bekam hier und da eine Münze.
»Sie sollten heute Nacht nicht in diesem Hotel schlafen«, sagte Darius.
»Das Zimmer ist bezahlt.«
»Der Mann wollte Sie ins Gefängnis bringen.«
»Er hat es nicht geschafft.«
»Wenn er im Hotel anruft? Wenn er hört, es hat nicht geklappt?«
Der Reiseleiter scheuchte das Mädchen weg. Es zeigte ihm den Mittelfinger und verkroch sich zwischen die Stoßstangen der Reisebusse. Maria gab Darius die Hand.
»Ich danke Ihnen. Für alles.«
Er zögerte, bevor er sie nahm.
»Werde mich nie dran gewöhnen.«
»Woran?«
»Einer Frau die Hand drücken. Ist im Iran verboten. Und in Griechenland, als Taxifahrer, kriegt man wenig Gelegenheit.« Er drückte sie fester. »Fühlt sich aber gut an.«
Die Touristen waren Deutsche. Erregt diskutierten sie Vertragsklauseln und Präzedenzfälle aus früheren Urlauben. Wie viel Reisepreisminderung für den Müll? Wie viel für das Chlorwasser? Die geschlossene Akrópolis? Und die Merkel in SS-Uniform: Konnte man da nicht auch …?
Maria stieß die Glastür auf. In einem Sessel in der Lobby saß Eléni. Sie war bleich. Ihr Puder war tränenverwischt.
»Wir müssen reden«, sagte sie.
»Welche Lügen hast du Yánnis über mich erzählt?«
»Ich muss dir etwas zeigen!«
»Dass ich hinter dem Schmuggel stecke?! Hinter dem Mord?!«
Eléni zitterte. Ihr Make-up war verschmiert.
»Ich kenne«, flüsterte sie, »den Inhalt des Koffers!«
27
Durch das Geäst der Bäume und Fliedersträucher leuchteten die Lichter des Záppeion. Er hatte sich einen Ziegenbart ans Kinn geklebt. Er trug enge, gebleichte Jeans und ein rot-blau kariertes Hemd. Er hatte es bis weit auf die Brust geöffnet. Es war kurz nach elf Uhr, eigentlich zu früh. Aber er durfte den Mann auf keinen Fall verpassen.
Gabriel sah Schatten, die um die Bäume strichen. Er hörte Rascheln, Schritte im Gebüsch.
Klicken eines Feuerzeugs.
Die Flamme erhellte ein breites, junges Gesicht. Albaner, wahrscheinlich. Muskulöse Arme und Schultern im weißen, ärmellosen T-Shirt. Eine Hand griff an die Schwellung in der Hose. Die Flamme erlosch, Gabriel sah nur noch das Glühen der Zigarette. Der Junge flüsterte etwas, rieb die Finger gegeneinander. Er wollte Geld. Gabriel schüttelte den Kopf, der Junge verzog sich ins Gebüsch.
Männer streiften auf schmalen Pfaden durch den Park. Hier, wo Gabriel stand, war das Buschwerk besonders dicht. Die Männer blieben stehen, taxierten ihn kurz, gingen weiter. Gabriel wusste, er war kein attraktiver Mann. Er war auch nicht hässlich. Er war Durchschnitt, weiter nichts. Allerdings hatte er einen großen Penis. Der Penis musste reichen, für diesen Termin. Doch der Mann, den er suchte, war nicht hier. Vielleicht würde er heute gar nicht kommen, in der Nacht vor Mariä Entschlafung. Oder erst recht. Zur Not musste Gabriel es ohne den Mann schaffen. Aber das bedeutete zusätzliches Risiko.
Er hörte unterdrücktes Stöhnen, Schmatzen. Er fühlte für diese Männer keinen Hass, aber auch kein Mitleid. Süchtige, die ihre Lebenszeit an sinnloses Vergnügen vergeudeten. Gabriel hatte als Junge gern an seinem Penis herumprobiert. Er hatte die Zeit gestoppt, die er brauchte, um hart zu werden. Er hatte gewartet, drei Tage, vier Tage, und das Glied gerieben und gepresst, bis das Weiße zum Hals spritzte. Er hatte die Entfernung gemessen und sich beim nächsten Mal auf einen besseren Spritzwinkel konzentriert. Ein einziges Mal hatte er es bis ans Kinn geschafft. Um den Spritzwinkel musste er sich heute Abend keine Sorgen machen. Um die Erektion allerdings schon. Vor einer halben Stunde hatte er sich eine Spritze in die Schulter gesetzt. Er hatte zwei Diclofenac-Tabletten geschluckt gegen die Entzündung. Er fühlte keinen Schmerz, aber leichte Flauheit im Magen. Und sein Penis klemmte taub in der engen Jeans.
Vom Záppeion hörte er Jugendliche mit einer Gitarre. Mücken summten. Keine Krankheit, mit der die Männer hier nicht infiziert sein konnten. Mückenstiche konnten viele
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