Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
Vom Netzwerk:
verfolgen?«
    »Ein Mann.«
    »Wie heißt er?«
    »Weiß sie nicht.«
    »Wie sah der Mann aus?«
    »Wie ein Fickmann.«
    »Wie heißt du?«
    »Chanell.«
    »Wie alt bist du?«
    »Siebzehn.«
    Sie standen vor dem verstockten Kind, das mit den Füßen scharrte und auf den Boden spuckte. Wieder kam der Mann in der vollgekackten Unterhose und drohte mit seiner Spritze.
    »Ich will hier weg!«, schrie Eléni.
    Sie verließen den Park Richtung Museum, das Mädchen folgte ihnen. Sie brauchte die Kamera, sie brauchte die Fotos.
    »Der Mann will, dass sie alles fotografiert, was du in Athen machst«, übersetzte Eléni. »Jeden Ort, wo du hingehst, jede Person, die du triffst.«
    »Hat der Mann auch gesagt, warum?«
    Chanell schüttelte den Kopf.
    »Wo wohnt er?«
    »Im Hotel.«
    »Wann triffst du dich wieder mit dem Mann?«
    »Heute Nacht. Oder morgen früh.«
    Maria steckte die Kamera in ihre Hosentasche. Chanell keifte.
    »Sage ihr, sie soll mich zum Hotel des Mannes bringen.«
    »Maria –«
    »Eher kriegt sie die Kamera nicht wieder.«
    »Du weißt nicht, was er vorhat. Ob er gefährlich ist.«
    »Was schlägst du vor?! Soll ich das Mädchen einfach laufenlassen?!«
    Eléni starrte auf ihre Pumps. Sie biss sich auf die Lippen.
    »Du warst bei Yánnis?«, fragte sie.
    »Heute Nachmittag.«
    »Hat er dir Geld geboten?«
    »Er wollte mich ins Gefängnis bringen.«
    »Warum?«
    »Er hat die gleiche Angst wie du. Dass der Putsch nicht stattfindet.«
    Der Mann in der Unterhose streichelte Chanell über die Wange. Sie spuckte ihm ins Gesicht.
    »Du hältst mich für eiskalt, was?«
    »Ich frage mich bloß, ob es irgendetwas gibt, das du nicht tust für deine Story.«
    »Wenn du in meiner Situation wärst …«
    »Das ist immer die Ausrede.«
    »Yánnis ist das größte Loch in meiner Geschichte. Ich weiß nicht, wer er ist, wo er herkommt. Welche Rolle er spielt. Ich muss das Loch schließen, bevor es zu spät ist.«
    Sie fasste Marias Hand und presste sie. »Es ist unsere Story! Wir machen sie gemeinsam! Watergate, Bernstein und Woodward! Wir sind ein Team!«
    Maria entzog ihr die Hand. »Geh nach Hause. Schau dir noch mal den Film an. Und dann überlege, über wie viele Leichen du für deine Story gehen willst.«

30
    Stávros sog an seiner Zigarette. Eigentlich durfte er während der Wache nicht rauchen. Aber wer war hier, um es ihm zu verbieten? Die wenigen Menschen, die spätnachts noch auf dem Mitrópolis-Platz unterwegs waren, sahen ihn nicht, im Schatten der Kirchenmauer. Da hatten es Kóstas und Ioánnis, seine beiden Kameraden, nicht so gut; sie bewachten das Hauptportal. Sowieso sinnlos, dieser Nachtdienst. Natürlich, Vorschrift war Vorschrift. Und alle kannten die Gerüchte. Alle fühlten, es lag etwas in der Luft. Angst, Wut, Verzweiflung – ein Gemisch, dem nur der Funke fehlte. Aber wer saß an der Zündschnur? Wer hatte die Zündhölzer? Nicht die Regierung, natürlich nicht. Marionetten, sonst nichts. Machten Versprechungen und brachen sie. Kündigten Verbesserungen an, die nicht kamen. Und die anderen, die Regierungen in Europa, Amerika, die Banken? Kickten Griechenland hin und her wie eine alte Blechbüchse. Vielleicht saßen auch sie nicht an der Zündschnur. Vielleicht waren sie bloß wie Kinder im Karussell, die stolz am Steuerrad ihres Wagens drehten. Sie drehten nach links, nach rechts, aber es spielte keine Rolle. Ihr Wagen fuhr im Kreis und kam keinen Meter voran. Und warum? Weil der Karussellbesitzer es so wollte! Stávros sog heftig an seiner Zigarette. Nein, das war zu simpel gedacht. Auch der Karussellbesitzer hatte keine Macht. Er konnte sein Karussell schneller oder langsamer drehen, er konnte es anhalten, vielleicht, das war schon nicht mehr sicher, konnte er es rückwärts laufen lassen. Aber wer hatte das Karussell gebaut? Nach wessen Plan? In welchem Auftrag war dieser Plan entstanden? Wer finanzierte die Auftraggeber? Vermutlich hatte Alékos, sein bester Freund, recht, und alles war eine große Verschwörung. Auf wen war in diesen dunklen Zeiten noch Verlass? Und wenn er sich entscheiden musste, zwischen den Mächtigen und dem Volk, Unterdrückung und Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit – war nicht klar, auf welcher Seite er zu kämpfen hatte?
    Stávros nahm Haltung an, trat die Zigarette aus, als er den Mann im schwarzen Ráson kommen sah. Der Mann trug keinen Ring, keine Kette, bloß eine Kordel um die Taille. Also kein Bischof. Kein Priester. Wohl nur der Diákonos. Stávros

Weitere Kostenlose Bücher